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Die besten Bücher 2023: Empfehlungen für den November

die besten Bücher im November 2023: Buchcover von Daniel Kehlmann, Daniel Gascón, Tara M. Stringfellow, Friedemann Karig, Thomas von Steinaecker, Inès Bayard

Mit dem Ende der Sommerzeit beginnt die Lesezeit … Die besten Bücher im November 2023 mit Daniel Kehlmann, Friedemann Karig und Inès Bayard.

Wenn ein neues Buch von Daniel Kehlmann erscheint, ist klar, wer unsere Liste der besten Bücher im November 2023 anführt, oder? Mit dem Roman „Lichtspiel“ über den Nazi-Regisseur G.W. Pabst geht Kehlmann der Frage nach, welche Kompromisse man im Namen der Kunst eingehen darf. Konkurrenz bekommt er von Friedemann Karig, der in seinem aktuellen Roman „Die Lügnerin“ der Lüge nachspürt, um festzustellen, dass sie Teil der Wahrheit ist. Oder nimmt Thomas von Steinaecker auf unserer Liste der besten Bücher im November 2023 die Spitzenposition ein? Mit „Die Privilegierten“ gönnt er sich mehr als 600 spektakuläre Seiten für die Frage: Was lief schief?

Mit „Schwachstellen“ liefert Yishai Sarid das Buch der Stunde. Zahlt sich das auf unserer Liste der besten Bücher im November 2023 aus? Adam Thirlwells neuer Roman „Die fernere Zukunft“ spielt dagegen während der Französischen Revolution, macht aber durchweg Gebrauch von Anachronismen. Ganz anders wiederum Inès Bayard: Steht sie auf unserer Liste der besten Bücher im November 2023 ganz oben, weil sie in „Steglitz“ einen sachlichen Erzählten mit einer zunehmend zerfasernden Handlung kontrastiert? Und schließlich sind da auch noch die Romane von Tara M. Stringfellow und Daniel Gascòn, die keinesfalls unterschätzt werden sollten …

Die besten Bücher im November 2023

8. Daniel Gascòn: Der Hipster von der traurigen Gestalt

die besten Bücher im November 2023: Buchcover „Der Hipster von der traurigen Gestalt“ von Daniel GascónUm über die Trennung von Lina hinwegzukommen, zieht Enrique zu seiner Tante in ein kleines Dorf im Osten Spaniens. Schnell wird klar, La Cañada ist nicht Madrid: kein Empfang, keine Yoga-Kurse, kein Quinoa im Dorfladen. Da sich Enrique als Visionär versteht, beginnt er voll Tatendrang, Nachhaltigkeitskonzepte zu entwickeln und einen Workshop zu moderner Männlichkeit anzuleiten, an dem außer ihm nur noch eine versprengte Gruppe älterer Frauen aus der Provinz teilnimmt. Peu à peu gewinnt er die Dorfgemeinde für sich und wird schließlich ihr Bürgermeister. Spätestens dann dreht Daniel Gascóns Roman „Der Hipster von der traurigen Gestalt“ völlig frei: Rechte Spinner verirren sich ins Dorf, eine US-amerikanische Popsängerin kopiert das traditionelle Gewand La Cañadas, und Greta Thunberg wird entführt. Die moderne Don-Quijote-Geschichte ist eine launige Satire auf die Hysterie gegenwärtiger Debatten und den Ursprünglichkeitswahn urbaner Menschen.

Kunstmann, 2023, 191 S., 20 Euro

Aus d. Span. v. Christian Hansen

7. Inès Bayard: Steglitz

Buchcover „Steglitz“ von Inès BayardBerlin ist arm, aber sexy – in Stadtteilen wie Steglitz aber auch schon mal reich, aber eintönig. Doch genau so will es Leni Müller haben: Sie hat sich an der Seite ihres Mannes Ivan, einem desinteressierten Architekten, ein möglichst ereignisarmes Leben geschaffen, das aus wenig mehr besteht als einem täglichen Einkauf. Eine Begegnung mit Kommissar Ziegler, der angeblich nur eine Routinebefragung durchführen will, offenbart eine fundamentale Verunsicherung in ihr: Warum erkennt sie ihre eigene Mutter, ihren eigenen Bruder nicht? Warum hat sie kaum Erinnerungen an ihre Kindheit? Was will Ziegler wirklich von ihr? Dann kehrt Ivan nicht von einer Geschäftsreise zurück und lässt Leni ausrichten, dass sie ausziehen soll … Inès Bayard kontrastiert einen sachlichen Erzählton mit einer zunehmend zerfasernden Handlung. Warten wir anfangs noch auf eine konkrete Erklärung, was genau Lenis Trauma verursacht hat, nimmt die Desorientierung nur immer weiter zu, bis die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Traum wegbrechen.

Zsolnay, 2023, 192 S., 22 Euro

Aus d. Franz. v. Theresa Benkert

6. Yishai Sarid: Schwachstellen

Buchcover „Schwachstellen“ von Yishai SaridDer israelische Schriftsteller Yishai Sarid ist seit Jahren in der Opposition zur korrupten Netanjahu-Regierung und geht gegen deren geplante Justizreform in Tel Aviv jeden Freitag auf die Straße, um gemeinsam mit Hunderttausenden unter der israelischen Flagge gegen die eigene Regierung zu demonstrieren. Seit dem Pogrom der Hamas aber, dem so viele jüdische Bürger an einem Tag zum Opfer gefallen sind wie seit der Shoa nicht mehr, unterstützt er schweren Herzens die Verteidigung Israels gegen seine Feinde. Vor wenigen Wochen erst ist sein neues, bedrückendes Buch „Schwachstellen“ erschienen, in dem ein junger Soldat – wie Sarid selbst in der Nachrichteneinheit der Armee tätig – nach dem Dienst in einer privaten Firma anheuert, die weltweit Oligarchien und Diktaturen mit hochmoderner Abhörtechnik ausstattet. Dann soll der junge, ungefestigte Mann Richter, Journalisten und Oppositionelle im eigenen Land überwachen … „Schwachstellen“ ist eine Tragödie über die demokratischen Schwachstellen in Israel, die Yishai Sarid als Schriftsteller benennt, während er als Bürger für die Demokratie in seinem Vaterland auf die Straße geht.

Kein & Aber, 2023, 320 S., 24 Euro

Aus d. Hebräisch. v. Ruth Achlama

5. Adam Thirlwell: Die fernere Zukunft

Die besten Bücher im November 2023: Buchcover „Die fernere Zukunft“ von Adam Thirlwell Dass die Geschichte uns helfen kann, die Gegenwart zu verstehen, ist mehr als ein Slogan, um mehr Bücher zu verkaufen. Kaum jemals gehen Schriftsteller:innen jedoch so radikal mit dieser Erkenntnis um wie Adam Thirlwell. Sein neuer Roman spielt während der Französischen Revolution, macht aber durchweg Gebrauch von Anachronismen, wie wir sie sonst nur aus Filmen wie „Moulin Rouge“ oder „The Favourite“ kennen. So macht er den Gegenwartsbezug schmerzhaft deutlich: Wenn seine Protagonistin Celine und ihre Freundinnen von obszönen Pamphleten verunglimpft werden, klingen darin Social Media und Rachepornos an. Sie benutzen Ausdrücke wie cool und gehen schon mal ins Kino. Und während um sie herum fanatische Männer die Welt anzünden, suchen sie am Stadtrand nach einer Utopie im Einklang mit der Natur.

S. Fischer, 2023, 400 S., 26 Euro

Aus d. Engl. v. Jan Wilm

4. Tara M. Stringfellow: Memphis

Buchcover „Memphis“ von Tara M. StringfellowDrei Generationen haben in dem alten Haus in Memphis gelebt: Hazel, deren Mann Myron es in den 40ern gebaut hat. Hazels Töchter Miriam und August, ehe Miriam mit ihrem Mann weggezogen ist. Und Miriams Töchter Joan und Mya, mit denen sie nun zurückkehrt, weil ihr Mann sie schlägt. Doch das Haus und die Stadt sind längst kein sicherer Hafen mehr: In Memphis mag der Rassismus nicht mehr so offen sichtbar sein, doch Kriminalität und Gewalt sind an der Tagesordnung. Und für Joan ist die Rückkehr auch eine Erinnerung an ein Kindheitstrauma, das sie ihrem Cousin Derek zu verdanken hat. Tara M. Stringfellow erzählt auf drei Zeitebenen berührend und zornig von einer Dynastie Schwarzer Frauen, die sich allen Widrigkeiten gemeinsam stellt. Nur manchmal verliert man als Leser:in den Überblick, welche Protagonistin nun gerade im Zentrum steht.

Ecco, 2023, 320 S., 22 Euro

Aus d. Engl. v. Marion Kraft

TOP 3

3. Friedemann Karig: Die Lügnerin

Buchcover „Die Lügnerin“ von Friedemann KarigEs sind die Mechanismen der Wirklichkeits-Produktion, die großen politischen Erzählungen und die kleinen narrativen Praktiken, die Friedemann Karig seit Jahren umtreiben: In seinem Podcast „Piratensender Powerplay“ seziert er gemeinsam mit der Autorin Samira El Ouassil wöchentlich die kommunikativen Codes unserer Gegenwart, und mit „Erzählende Affen“ ist dem Podcast-Pärchen 2022 ein Sachbuch-Bestseller zu ebenjenen Mythen und Geschichten gelungen. Mit seinem aktuellen Roman „Die Lügnerin“ spürt Karig nun der Lüge nach, um festzustellen, dass sie Teil der Wahrheit ist: Eine junge Frau sitzt in der Therapie und behauptet, jede Lüge, die sie je verzapft hätte, wäre wahr geworden. Selbst ihre Therapeutin beginnt nach einigen erstaunlichen Geschichten, ihre Zweifel abzulegen. Wird die Lüge nicht selbst zur Wahrheit, sobald ihr Glauben geschenkt wird? Mit feinem Witz erzählt Karig eine unglaubliche Geschichte darüber, wie gerne wir Geschichten erzählen und so die Welt bändigen.

Ullstein, 2023, 224 S., 22,99 Euro

2. Thomas von Steinaecker: Die Privilegierten

Die besten Bücher im November 2023: Buchcover „Die Privilegierten“ von Thomas von Steinaecker Wie viele Avatare von Thomas von Steinaecker sind eigentlich so im Umlauf? Auf das Konto des 46-jährigen Augsburgers gehen unzählige Hörspiele und Fernsehdokumentationen, diverse Sachbücher und Graphic Novels – und nun liegt auch schon sein fünfter Roman vor. Tatsächlich zielt die Frage nach den Avataren auch schon ins Zentrum von „Die Privilegierten“, doch zunächst braucht es ein paar grobe Infos zum Plot: In nicht allzu ferner Zukunft hat sich Bastian in einer abgelegenen Hütte in Norwegen verschanzt. Der Ich-Erzähler trauert um seine Frau und um eine Welt, die durch den Klimawandel und Kriege aus den Fugen geraten ist. Um irgendwie durch den Winter zu kommen und in der Einsamkeit nicht verrückt zu werden, schreibt er seine Lebensgeschichte auf: Da sind die 90er und eine Jugend in der bayerischen Provinz mit Verlusterfahrungen und Traumata, tiefen Freundschaften, die es mit denen aus Stephen Kings „Es“ aufnehmen können, einem Großvater, der Thomas Mann liest, und dem Fernseher, in dem Serien und Quizshows laufen.

Später arbeitet Bastian selbst fürs Fernsehen, er konzipiert „Jeopardy“ mit Frank Elstner als Virtual-Reality-Show, lebt ein sattes Leben im Münchener Vorort – und ist mit seinem eigenen Sohn konfrontiert, der gegen das Wohlfühlleben der Eltern rebelliert. Und was lief schief? Fast macht es zu viel Spaß, die unangenehme Antwort zwischen den Zeilen zu suchen. Unbestreitbar hat es mit Weltflucht zu tun, mit Nostalgie, Realitätsverlust – und mit der unendlichen Verfügbarkeit von Avataren.

S. Fischer, 2023, 624 S., 26 Euro

1. Daniel Kehlmann: Lichtspiel

Buchcover „Lichtspiel“ von Daniel KehlmannEr wird heute längst nicht so oft erwähnt wie Lang oder Murnau, aber jahrelang war der Regisseur G.W. Pabst einer der wichtigsten Regisseure des Weimarer Kinos, gilt als Entdecker von Greta Garbo und Louise Brooks. Wenn sein Name heute vergleichsweise selten fällt, hat das mit einer Mischung aus unglücklichen Zufällen und schlechten Entscheidungen zu tun. Daniel Kehlmann ist routiniert im Umgang mit historischen Stoffen, doch mit „Lichtspiel“ nimmt er sich erstmals den Nationalsozialismus vor – und dann gleich im Kontext der ewigen Debatte, ob die Kunst von der Politik und der Moral zu trennen ist. Natürlich ist die Antwort nein, aber unter Umständen können Angst, Naivität und schlichter Egoismus das vergessen machen. Und genau hier setzt Kehlmann an, wenn er seinem Protagonisten Pabst in den Abgrund folgt.

In entscheidenden Momenten – wenn Pabst erstmals auf Goebbels trifft oder sein Assistent erkennt, wie weit er zu gehen bereit ist – fragmentiert das Narrativ, Dinge passieren in der falschen Reihenfolge oder mehrmals hintereinander. Hier, so suggeriert Kehlmann, sind selbst die Regeln von Raum und Zeit außer Kraft gesetzt – was es umso einfacher macht, auch alle Prinzipien in Frage zu stellen. So macht er alle Entscheidungen Pabsts menschlich nachvollziehbar, ohne sie zu entschuldigen. Denn dass es zuletzt weniger um Film oder Geschichte geht, sondern einfach um Schuld, macht nicht erst das Ende des Romans überdeutlich. Hier hat Pabsts Frau Trude das letzte Wort. Der neuste Film ihres Mannes mag ein Meisterwerk sein, gibt sie zu. Aber: „Ich habe eben nur genug von den Meisterwerken.“

Rowohlt, 2023, 480 S., 26 Euro

Riskieren Sie auch einen Blick auf unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2023.

 

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