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Die besten Bücher 2024: Empfehlungen für den Februar

Die besten Bücher im Februar 2024: Buchcover von C Pam Zhang, Elias Hirschl, Anna Metcalfe, Sheila Heti, Jana Scheerer und Aisha Abdel Gawad

Auf in die Frühjahrssaison: Die besten Bücher im Februar 2024 mit Elias Hirschl, C Pam Zhang und Sheila Heti.

Ihr Debütroman irritiert auf die beste Weise: Anna Metcalfe benennt „Chrysalis“ nach einem Insekt in der Verpuppung und erzählt von der Selbstermächtigung einer Frau. Oder doch nicht? Womöglich setzt sie sich so auf unserer Liste der besten Bücher im Februar 2024 gegen die etablierte Konkurrenz durch: Nachdem sie in ihrem für den Booker Prize nominierten Western „Wie viel von diesen Hügeln ist Gold“ die Hauptrollen mit chinesischen Einwanderinnen besetzt hat, erzählt C Pam Zhang in ihrem zweiten Roman „Wo Milch und Honig fließen“ von einer Welt, in der Smog zu einer globalen Hungersnot geführt hat. Oder setzt sich auf unserer Liste der besten Bücher im Februar 2024 der Österreicher Elias Hirschl durch? „Content“ ist ein grandios durchgeknallter Roman über die Generation ChatGPT.

Ebenfalls auf unserer Liste der besten Bücher im Februar 2024 dabei: Jana Scheerer, die in „Die Rassistin“ eine Art griechischen Chor als Erzählstimme wählt. Es ist die gesichtslose, aber wohlinformierte Öffentlichkeit, die sich Scheerers Protagonistin als erbarmungslos über sie urteilend vorstellt. Große Schwierigkeiten bereitet „Reine Farbe“ von Sheila Heti, da vollkommen unklar ist, in welche Abteilung der Buchhandlung es gehört. Vielleicht ist ja aber auch genau das ein guter Grund, warum es dieses umarmende Buch auf unserer Liste der besten Bücher im Februar 2024 ganz nach oben schafft. Und auch weit mehr als ein Geheimtipp: „Zwischen zwei Monden“ von Aisha Abdel Gawad.

Die besten Bücher im Februar 2024

6. Jana Scheerer: Die Rassistin

Die besten Bücher im Februar 2024: Buchcover „Die Rassistin“ von Jana ScheererNora Rischer, 44, Germanistikprofessorin, bekommt eine Mail vom AstA: Am Seminar habe es einen rassistischen Vorfall gegeben. Rischer ist sofort klar, dass es um eine unbedachte Äußerung ihrerseits geht, die eigentlich harmlos war. Oder doch nicht? Vielleicht ist sie ja doch Rassistin wider Willen! Während sie in der Kinderwunschpraxis wartet, nimmt Rischer sich selbst genauestens – man könnte sagen: obsessiv – unter die Lupe. Als Erzählstimme dient dabei eine Art griechischer Chor, es ist die gesichtslose, aber wohlinformierte Öffentlichkeit, die sich Rischer als erbarmungslos über sich urteilend vorstellt.

Dieser Kunstgriff ist nur die unterste Metaebene, die Jana Scheerer einsetzt: Gleich in der Einleitung erklärt sie, den Roman gar nicht selbst verfasst zu haben, sondern das Manuskript eines Freundes zu veröffentlichen. Zu Wort kommen im Laufe des Buches zudem nicht nur die Figuren, sondern auch die fiktive Lektorin, die Nachbarin oder der Proktologe des Autors. Auf diese Weise bildet Scheerer kleinstteilig die verschiedenen Facetten der gesellschaftlichen Debatte um Rassismus und die sogenannte politische Korrektheit ab. Dabei geht es ihr weniger um Ursachen und Auswirkungen von Diskriminierung, sondern um ein Psychogramm ihrer Protagonistin, die heillos verkopft mit ihrem Gewissen ringt und über sich selbst nachdenkt, während es eigentlich um andere gehen sollte. Nicht wenige von uns werden sich darin wiedererkennen – und die Lektüre vielleicht ein bisschen weniger verkrampft beenden.

Schöffling, 2024, 224 S., 22 Euro

5. Sheila Heti: Reine Farbe

Buchcover „Reine Farbe“ von Sheila HetiIn welches Regal ich „Reine Farben“ in der Buchhandlung einsortieren würde? Keine Ahnung. Wird doch selbst im Klappentext von Sheila Hetis neuestem Roman als „philosophisches Traktat“, „modernes Märchen“ und „diesseitiger Erzählung“ geschwärmt. Und tatsächlich ist die Geschichte von Mira, die zum Studieren aufbricht, dort Annie kennenlernt, ihren Vater verliert und kurzzeitig gemeinsam mit seiner Seele das Blatt eines Baums bewohnt, vielmehr eine surreale Kulisse, vor der die Autorin waghalsige Gedankenspiele zu den Rätseln unserer Welt vollzieht: Was bedeutet es, zu lieben? Warum finden wir Trost in Kunst und Literatur? Wie fühlt es sich an, zu sterben? Wieso sind wir davon überzeugt, dass die Welt so ist, wie wir sie wahrnehmen?

Heti beginnt mit einem neu entworfenen Schöpfungsmythos, einem Gott, der drauf und dran ist, eine zweite Version dieser Welt zu erschaffen, und endet im Tod und in der Einsicht, dass diese Welt vielleicht gar kein Happy End braucht: „Das Leben zu überstehen reicht, und das hatten sie getan.“ Während sich Heti vorsichtig vortastet, um im nächsten Moment voll sprudelnder Gedanken eine Wendung hinzulegen, findet sie Schönheit im Trivialen und erzählt eine Geschichte der gigantischen Kleinigkeiten. Dieses umarmende Buch lässt einen demütig, voller Liebe und mit dem Gefühl zurück, nicht alleine zu sein.

Rowohlt, 2023, 224 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Thomas Überhoff

4. Aisha Abdel Gawad: Zwischen zwei Monden

Buchcover „Chrysalis“ von Aisha Abdel GawadEs ist Sommer in New York, und die muslimische Enklave in Bay Ridge, Brooklyn feiert Ramadan. Für die frischen High-School-Absolventinnen Amira und Lina bedeutet das: Schwitzen, Fasten, Beten. Und wenn die Eltern nicht gucken: Schummeln. Obwohl die beiden zweieiigen Zwillingsschwestern kaum unterschiedlicher sein könnten – Amira, eine blasse, im islamischen Zentrum arbeitende Jungfrau, Lina, ihre feierwütige, hübsche beste Freundin mit Modelambitionen – sind sie ein fürsorgliches Team. Wie durch eine selbsterfüllende Prophezeiung ändert sich in diesem Sommer jedoch alles für Amira: Sie verliebt sich, betrinkt sich, nabelt sich ab. Doch als ihr Bruder Sami plötzlich unerwartet aus dem Gefängnis entlassen wird und sich in Schweigen hüllt, droht die Familie zu zerreißen. Protagonistin Amira will nun endlich wissen: Was war damals mit Sami los? Aisha Abdel Gawad pflanzt mit „Zwischen zwei Monden“ unbemerkt den Samen der Feindseligkeit, der schließlich zu wuchern beginnt und die Lesenden vor die Frage stellt: Wer ist hier Freund und wer Feind? Eine geschickte Illustration amerikanischer Post-9/11-Paranoia, die spätestens in der Mitte des Romans in Form von fiktiven NYPD-Überwachungsprotokollen muslimischer Communitys zur rassistischen Perversion wird.

Blumenbar, 2023, 416 S., 26 Euro

Aus d. Engl. v. Henriette Zeltner-Shane

TOP 3

3. Anna Metcalfe: Chrysalis

Die besten Bücher im Februar 2024: Buchcover „Chrysalis“ von Anna MetcalfeDie namenlose Frau zieht alle Blicke im Fitnessstudio auf sich. Sie ist groß, stark, ruhig, unnahbar. Unbeirrt arbeitet sie an ihrem Körper, der sich immer weiter verändert. Eine seltsame Faszination geht von ihr aus, die sich aufs Internet überträgt, wo sie beginnt, Videos zu posten. Follower:innen tun es ihr gleich, ziehen sich aus der lauten Welt zurück, manche verschwinden komplett. Wir erleben die Wirkung, die sie auf andere hat, aus drei Perspektiven: Elliot, der sie im Fitnessstudio beobachtet und sich in sie verliebt. Ihre Mutter, die sich an eine schwierige Kindheit erinnert. Und ihre Freundin Susie, die die traumatische Beziehung miterlebt hat, die möglicherweise der Auslöser für die Verwandlung war. Sie alle werden von der Namenlosen berührt, ohne sicher sein zu können, sie je wirklich gekannt zu haben. Dadurch, dass Anna Metcalfe uns den Blick ins Innere ihrer Protagonistin verweigert, lässt sie sie für uns zu einem ebensolchen Rätsel werden wie für die Figuren, die sie umgeben. Metcalfes Erzählstil ist detailorientiert und schonungslos, aber auch kühl und distanziert. So bleibt auch die Beurteilung der Metamorphose ihrer Hauptfigur uns überlassen: Ist sie Emanzipation oder Weltflucht, Selbstgenügsamkeit oder Abkapselung? Ist sie Reaktion auf Missbrauch oder spirituelle Botschaft? Sind ihre Videos ein Weg, die eigene Sichtbarkeit zu kontrollieren, oder schlichtes Marketing? Der Titel dieses ungemein modernen Romans mag uns einen Hinweis liefern: Er lautet nicht Schmetterling.

Rowohlt, 2023, 272 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Eva Bonné

2. Elias Hirschl: Content

Buchcover „Content“ von Elias HirschlSie halten die Printausgabe der kulturnews in den Händen (sic) – aber ahnen Sie eigentlich, wie wir die Besprechung des neuen Romans von Elias Hirschl für kulturnews.de aufbereiten? Unser Listicle-Department arbeitet die Rezension um: Die 11 besten Romane über die Generation ChatGPT (Nummer 7 stammt von einem Österreicher, und diese Satire des 30-jährigen Wieners wird Sie anfangs lauthals lachen lassen, doch mit fortschreitender Lektüre werden Sie über Suizid, zumindest aber über den ausschweifenden Konsum von Crack nachdenken!!!). Sollten Sie schon so abgestumpft sein, dass Sie da nicht klicken, haben wir immer noch das Video- und Meme-Department, das für unsere YouTube-Kanäle und den TikTok-Account ein Filmchen erstellt: Wir legen ein druckfrisches Exemplar von „Content“ zusammen mit einem Nokia 3310 und einem Napf veganer Gulaschsuppe in die Mikrowelle – und solch eine Schweinerei haben Sie nun wirklich noch nicht gesehen! Ach ja, leider hat sich unsere Listicle-Mitarbeiterin nach dem Hirschl-Beitrag die Pulsadern aufgeschnitten. Schauen Sie auch deshalb auf kulturnews.de vorbei. Die exklusiven Fotos von ihrer Schnippelei sind derzeit unser meistgeklickter Beitrag.

Zsolnay, 2024, 224 S., 23 Euro

1. C Pam Zhang: Wo Milch und Honig fließen

Buchcover „Wo Milch und Honig fließen“ von C Pam ZhangErst kommt das Fressen, dann die Moral. Die 29-jährige Protagonistin aus „Wo Milch und Honig fließen“ bewirbt sich um einen zweifelhaften Job, der frischen Salat, Fleisch und Erdbeeren verspricht. Nachdem sie in ihrem für den Booker Prize nominierten Western „Wie viel von diesen Hügeln ist Gold“ die Hauptrollen mit chinesischen Einwanderinnen besetzt hat, erzählt C Pam Zhang in ihrem zweiten Roman von einer Welt, in der Smog zu einer globalen Hungersnot geführt hat. Die Grenzen wurden dichtgemacht, und so ist Zhangs US-amerikanische Hauptfigur als Chefköchin in England gestrandet, wo sie neben Konserven und Tiefkühlfisch vor allem mit einem grauen Mehl arbeitet, das aus im Dunkeln wachsenden Pflanzen hergestellt wird. Ganz anders der neue Job: Auf einem Berg an der italienisch-französischen Grenze, der noch mit Sonnenlicht gesegnet ist, bauen ein superreicher Unternehmer und seine attraktive Tochter Aida eine Biobank auf und forschen zu Nahrungspflanzen, die mit dem Smog zurechtkommen. Doch die Frage nach der Moral wird immer komplexer, während Zhangs Heldin potentielle Investoren mit luxuriösestem Essen verführt, zunehmend aber den eigenen Appetit verliert.

S. Fischer, 2024, 272 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Eva Regul

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