Die besten Krimis 2024: Empfehlungen für den Juni
Sommer, Sonne, Serienkiller: Die besten Krimis im Juni 2024 mit Val McDermid, Joyce Carol Oates und Lavie Tidhar.
Belegt Joyce Carol Oates auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2024 erwartungsgemäß den Spitzenplatz? In „Babysitter“ lässt sie eine Frau gegen männliche Gewalt kämpfen – doch gleichzeitig will ihre Heldin auch ihre Sehnsüchte befriedigen … Auch Lavie Tidhar möchte auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2024 hoch hinaus: In „Maror“ erzählt er die Geschichte Israels als eine Verkettung bon Gangsterstücken. Tina N. Martin setzt dagegen mit „Gewittermann“ auf feinsten Skandi-Horror.
Mit Val McDermid steht ein weiterer großer Name auf unserer Liste der besten Krimis im Juni 2024. Mit „Die Gabe der Lüge“ gönnt die Tartan-Noir-Autorin ihrer Edinburgh-Ermittlerin Karen Pirie bereits den siebten Fall. Vielleicht hat unsere Liste der besten Krimis im Juni 2024 aber auch eine Überraschungssiegerin parat. „Wage es nicht!“ von Megan Abbott ist ein Cheerleader-Noir. Und in „Bis aufs Blut“ von Eli Cranor geht es um American Football und die Gewalt in einem Trailerpark in Arkansas.
Die besten Krimis im Juni 2024
6. Tina N. Martin: Gewittermann
„Was wollen Sie für die Ware sehen?“ „Zwanzigtausend pro Stück.“ „Wollen Sie mich verarschen? Zwanzig Riesen für eine iranische Mieze?“ Hier wird nicht über den Kauf einer Perserkatze verhandelt, sondern über einen misogynen Deal, den Mädchenhändler für die Rotlichtszene eintüten wollen. Auf deren Spur ist ein Rachemörder, dessen Markenkern brutal verstümmelte männliche Leichen sind. Tina N. Martin spannt auch im zweiten Band ihrer Serie bewährte Spannungsbögen, die mit feinstem Skandi-Horror immer wieder gekonnt aufs Glatteis führen.
Blanvalet, 2024, 512 S., 16 Euro
Aus d. Schwed. v. Leena Flegler
5. Megan Abbott: Wage es nur!
Running Tumbling, Flyer-Stunt, Spread-Eagle-Jump: Cheerleading ist ein wunderbarer Sport, falls man sich als Teenagermädchen einem Choreo-Drill und permanenten Wettbewerbsstress aussetzen möchte. Die 16-jährige Addy schaut ergeben zu ihrer bitchy Freundin Beth auf, die deren High-School-Jubelgruppe dominiert. Als eine neue Trainerin das Team übernimmt, verliert Beth ihre Position als „Top Girl“. Kurz darauf wirbelt ein rätselhafte Todesfall alles durcheinander. Addys Nachforschungen stellen ihre Loyalität zu Beth auf die Probe und es entspinnt sich ein manipulatives Machtspiel. Megan Abbott lässt in ihrem Cheerleader-Noir nicht nur die Pferdeschwänze wippen, sondern entlarvt die Stutenbissigkeit hinter dem Sweetness-Getue in Umkleide wie Arena. Zwischen Thigh-Gap-Wahn und Teenie-Tränen: hoch die Hände, Pompons schwingen!
Pulp Master, 2024, 340 S., 16 Euro
Aus d. Engl. v. Karen Gerwig
4. Eli Cranor: Bis aufs Blut
Kaputte Knie, zertrümmerte Schultern, Hirnquetschungen: American Football ist ein wunderbarer Sport, falls man sich oder anderen mal so richtig wehtun möchte. Der 18-jährige Billy lässt sich nicht so leicht tackeln, er hat Blut geleckt. Als Runningback prescht er so rücksichtslos vor wie ein übellauniger Pitbull. Sein Frust muss raus, denn zu Hause bei Mum und Stiefdad im Trailerpark einer Kleinstadt in Arkansas stinkt es nach Bierschweiß und Hintern. Der Ton: eher hart als herzlich. Mal landet eine brennende Kippe im Nacken oder sein kleiner Bruder Ricky im Hundezwinger. Billy riskiert durch eine brutale Aktion seinen wichtigen Einsatz für die „Pirates“, die kurz vor den Playoffs stehen. Der neue Coach ist überfordert und Sheriff Timmons knallhart, als Billys Stiefvater ermordet wird. Eli Cranors brillantes Debüt: ein klarer Touchdown!
Atrium, 2024, 304 S., 24 Euro
Aus d. Engl. v. Cornelius Hartz
TOP 3
3. Val McDermid: Die Gabe der Lüge
Wie bei allem, sollte man sich auch bei Verbrechen an die Profis halten: einfallsreiche Menschen, die Kriminalromane schreiben. Tartan-Noir-Autorin Val McDermid spielt mit dieser Idee im mittlerweile siebten Fall ihrer Edinburgh-Ermittlerin Karen Pirie. Da scheint sich jemand detailgenau bei einer Plot-Idee des (fiktiven) Romanautors Jake Stein bedient zu haben, um eine Studentin zu entführen. Für Pirie und ihr eingespieltes Team stellt sich im April 2020 neben dem Covid-Lockdown jedoch das Problem, nur eine unvollständige Vorlage für diese Tat zur Verfügung zu haben. Stein konnte vor seinem Tod das Roman-Manuskript nicht vollenden. So fehlen Karen Pirie wichtige Hinweise, mit denen sie den Entführer denkbar leicht überführen könnte. Nun ist Schottland ja aber für seine Noir-Autorendichte bekannt, und da bietet sich Steins Konkurrent Ross McEwen mit seiner Expertise an. Doch wie in Steins Geschichte findet sich ausgerechnet in dessen Garage die Leiche der Studentin … Val McDermid nutzt ihr geniales Verwirrspiel um Fälschung, Betrug und den vermeintlich perfekten Mord zugleich für augenzwinkernde Seitenhiebe gegen die Krimiszene. Dieser wird ja nachgesagt, auch gerne autobiografische Elemente in Romanen zu verwenden. Vielleicht sollte jemand mal in McDermids Garage nachschauen …?
Droemer, 2024, 480 S., 17,99 Euro
Aus d. Engl. v. Karin Diemerling
2. Joyce Carol Oates: Babysitter
Die Handtasche: Prada. Das Halstuch: Dior. Die 39-jährige Hannah führt als Hausfrau und Mutter von zwei Kindern ein gehobenes Mittelschichtsleben im Detroit der späten 1970er-Jahre. Nur das Gefühl, als Frau noch begehrenswert zu sein, kann sie sich nicht kaufen. Nach elf Ehejahren ist Hannah der leidenschaftliche Sex abhanden gekommen. So sucht sie den Kick in einer anonymen Affäre. Ein „Bitte nicht stören“-Schild hängt vorsorglich schon an der Tür des Grandhotelappartments 6183. Hannah stöckelt in High Heels darauf zu; und stolpert leichtsinnig in eine Falle, als sie sich hier mit YK trifft. Er ist ein menschliches Raubtier, sie erfährt Demütigung und Gewalt. Es zeugt von Joyce Carol Oates’ ganzem Können, wie sie die Brutalität der sexuellen Misshandlungen beschreibt: ohne Voyeurismus, dafür eindringlich und fast schon quälend ausführlich. Genauso wie die parallel geschilderten Taten eines Serienmörders. Der wird Babysitter genannt, weil er die Körper seiner kleinen, weißen Opfer gebadet und nackt wie Neugeborene inszeniert. Joyce Carol Oates bindet damit eine reale Mordserie der damaligen Zeit ein und lässt sie für Hannah immer bedrohlicher werden. Die taumelt zwischen Schmerz, Selbsthass und Schuldgefühlen. Zugleich ist sie erschrocken über ihre lustvolle Faszination für YK, der sie mehrfach ins Hotel bestellt und später sogar damit erpresst. Hannah versucht, weiterhin zu funktionieren: Sie will sich und ihre Kinder nicht nur vor dem Babysitter schützen, der in der Nachbarschaft mordet. Und sie will ihrem Horror endlich ein Ende setzen, der für Hannah schon früh begonnen hat, wie Andeutungen auf Missbrauch durch ihren Vater erahnen lassen. Joyce Carol Oates zeichnet beeindruckend souverän ein beklemmendes wie ambivalentes Menschenbild, welches sich hinter bürgerlichen Gesellschaftskulissen verbirgt. Von #MeToo über scheinheilige Priester bis hin zu Black Lives Matter spannt sich der elegante Bogen des Plots. Als Hannah erneut von YK ins Hotel bestellt wird, kann sie sich ihm zwar nicht entziehen – aber sie sucht nach einem finalen Ausweg. So kehrt Joyce Carol Oates am Ende fast wortgleich an den Anfang ihres Noirs zurück. Die Handtasche: Prada. Das Halstuch: Dior. Die Magnum: Smith & Wesson …
Ecco, 2024, 624 S., 24 Euro
Aus d. Engl. v. Silvia Morawetz
1. Lavie Tidhar: Maror
Der Staat Israel ist auf Sand gebaut. Nicht nur, weil mehr als die Hälfte des Landes von Wüste bedeckt ist, sondern auch bildlich, denn die als kritische Masse zusammengedrängte multi-ethnische Population lebt in permanenter Bedrohung von außen. Zudem wirken interne Machtkämpfe kontraproduktiv auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer kriminell oder korrupt ist, will sich bei den vielen gefährlichen Sandkastenspielen behaupten. Lavie Tidhar springt mit einer Reihe von Schauplätzen durch vier Jahrzehnte: In „Maror“ offenbart er grenzenlose Gier – und die Geschichte Israels als Verkettung von Gangsterstücken. 1977 gibt es einen groß angelegten Immobilienbetrug im besetzten Westjordanland. Das libanesische Beirut des Jahres 1982 wird von einem Revierkampf unter israelischen Gangstern beherrscht, die dort den Waffenschmuggel organisieren. Und 1995 glaubt ein Drogendealer bei einem Festival in der Negev-Wüste an eine bessere Zukunft. Doch dann wird dort Hoffnungsträger Yitzhak Rabin ermordet … Mitten im Chaos: zwei Cops, die Selbstjustiz mit Bibelzitaten rechtfertigen. Eigentlich schreibt Tidhar abgedrehte Fantasy, mit diesem epochalen Noir wendet er sich jedoch der Realität zu – und steckt auch hier nicht den Kopf in den Sand.
Suhrkamp, 2024, 640 S., 22 Euro
Aus d. Engl. v. Conny Lösch
Riskieren Sie auch einen Blick auf unsere Liste der besten Krimis im Mai 2024!