„Time“ von Dirk Maassen: Urlaub im Ohr
Im Alltag ist Dirk Maassen noch immer Software-Entwickler. Womöglich klingen die Klavierstücke auf seinem neuen Album „Time“ gerade deshalb so sehr nach Freiheit.
Schon auf „Ocean“, seinem Sony-Classical-Debüt von 2020, hat Dirk Maassen wie jetzt bei „Time“ ein Naturbild ins Zentrum gestellt. Was damals das Meer war, sind bei „Time“ nun die Berge. Der Pianist hat sein neues Album in Südtirol geschrieben, wohin er sich zurückgezogen hatte, um wieder zu sich selbst zu finden. „Die Arbeit an neuer Musik braucht Zeit und Raum“, sagt er selbst dazu. „Man muss geduldig sein und auf sich selbst hören.“
Von außen ist leicht vorstellbar, dass es zwei Dirk Maassens gibt, die sich nur schwer miteinander vereinbaren lassen. Da ist zum einen der Software-Entwickler, als der Maassen bis heute weiterhin tätig ist. Und da ist der überaus erfolgreiche Klavierspieler, dessen neoklassisch angehauchten Kompositionen ihm Fans in ganz Europa verschafft haben. Die Erfolgsgeschichte Maassens ist dabei fast schon ein eigener Mythos: Nach einigen musikalischen Erfahrungen hatte er sich eigentlich längst auf ein Leben als IT-Manager eingestellt. Nur aus einer Laune heraus hat er 2010 ein paar Klavierstücke auf Soundcloud veröffentlicht – und fast über Nacht mehr als 1 000 Fans gefunden.
Wie vereinbart man diese beiden Welten? Indem man beiden genügend Raum gibt, sich zu entfalten. Zum Beispiel die einsame Berglandschaft in Südtirol. „Das Leben in den Bergen reduziert alles auf seine wahre Essenz“, schwärmt Maassen. „Und diese einfache, grundlegende Welt eröffnet so viel Raum, um sein wahres Selbst zu finden.“
Dieses wahre Selbst entfaltet er auf „Time“ über 14 Kompositionen, denen man die Leere der Landschaft, aber auch die schönen Spaziergänge anhört, die Maassen dort unternommen hat. Einzelne Stücke, darunter „Mountains“, „Morning comes“ oder „Golden Hour“, beziehen sich dabei sehr explizit auf Aussicht und Wetter, bei anderen ist die Thematik abstrakter. Während Maassen sich wie immer auf sein Klavier konzentriert, steigert sich das Album zur Mitte hin, wenn er andere Instrumente einlädt: „Ascending“ wird von erst zarten, später wuchtigen Streichern getragen, das Titelstück „Time“ unterlegt Maassen gar mit einem Beat – der zunächst von einer tickenden Uhr stammt, und später dann von elektronischen Drums übernommen wird.
„Time“ von Dirk Maassen ist eine Auszeit von der Hektik des Alltags
Weil Maassen sein Publikum aber genau kennt, stellt er „Time“ auch als Soloklavier-Version zur Verfügung, die getragener und mysteriöser klingt. Für viele Hörer:innen stellen seine Alben schließlich genau das dar, was er selbst sich mit seiner Reise gegönnt hat: Die Auszeit von der Hektik des Alltags, eine Rückkehr zur Einfachheit. Und „Time“ kostet auf jeden Fall weniger als ein Trip nach Südtirol.