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„Dr. No“ von Percival Everett

Buchcover „Dr. No“ von Percival Everett

Mit „Dr. No“ hat Pulitzer-Preisträger Percival Everett eine aberwitzige Bond-Parodie geschrieben – mit einem bitterernsten Kern.

„Dr. No“ von Percival Everett ist unser Krimitipp der Woche

Aktuell tobt mal wieder die Debatte um die Neubesetzung von James Bond, dabei ist sonnenklar, wer den Geheimagenten spielen sollte: niemand. 007 funktioniert längst nur noch als rekursives Symbol, als Parodie seiner selbst – und ist daher perfekt geeignet für eine Satire. Das hat auch Percival Everett erkannt und spielt in „Dr. No“ mit den Klischees des Spionagefilms. Der titelgebende Doktor ist hier nicht der Schurke, sondern Wala Kitu, ein Professor auf dem Autismus-Spektrum, der sich auf das Nichts spezialisiert hat. Mit seiner Hilfe will John Sill, Milliardär und anstrebender Schurke, à la „Goldfinger“ in Fort Knox einbrechen, um dort ein Stück Nichts zu entwenden und als Waffe zu nutzen. Anfänglich wirkt Sills Plan noch behämmert, aber harmlos, doch selbst der weltfremde Wala erkennt bald, dass die Bedrohung real ist. Aber kann er verhindern, dass den USA nichts zustößt?

Wer jetzt schon ermüdet ist von den semantischen Spielereien, sollte „Dr. No“ besser meiden. Denn Everett hat seine wahre Freude an Wortwitzen, schrägen Figuren und Bond-typischen Sci-Fi-Spielereien – gefiltert durch die Perspektive Walas, der eigentlich nur Zeit mit seinem einbeinigen Hund Trigo verbringen will. Doch unter dem Humor schimmern größere Themen durch: Wie sein Erfolgsroman „James“, in dem Everett „Huckleberry Finn“ aus der Perspektive des Sklaven Jim nacherzählt hat, handelt auch der Vorgänger – „Dr. No“ wurde ursprünglich 2022 veröffentlicht – von den rassistischen Strukturen der USA. Sills Motivation, das Land zu zerstören, ist Rache dafür, dass sein Vater sterben musste, weil er die Wahrheit über den Mord an Martin Luther King Jr. kannte. An anderer Stelle sagt der Schurke: „Wenn es eins gibt, wozu mich das ganze Geld gemacht hat, dann ist es weiß.“ Endgültig explizit wird Everetts Thema in einer Szene, in der Wala im Auto von einem Polizisten angehalten wird – nicht etwa, weil er keinen Führerschein hat und nicht fahren kann, sondern einfach, weil er Schwarz ist. Solange dieser Alltagsrassismus existiert, so die Folgerung, wirken auch unsichtbare U-Boote und Schuhschachteln voller Nichts nicht allzu abwegig.

Mit „Dr. No“ hat es Percival Everett auf unsere Liste der besten Krimis im September 2025 geschafft.

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