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„Eddington“ im Kino: Ari Aster will alles

Der Western „Eddington“ mit Joaquin Phoenix und Pedro Pascal in den Hauptrollen läuft in den Kinos.
Der Western „Eddington“ mit Joaquin Phoenix und Pedro Pascal in den Hauptrollen läuft in den Kinos. (Foto: Leonine Filmdistribution)

„Eddington“ ist Ari Asters neuer Film. Der moderne Western mit Joaquin Phoenix und Pedro Pascal in den Hauptrollen läuft in den Kinos.

Mit „Eddington“ will Ari Aster das Chaos des Jahres 2020 einfangen. Es ist ein Zeichen für seine Brillanz als Regisseur, dass ihm das fast fehlerlos gelingt. „Eddington“ läuft in den Kinos.

Eine unvollständige Liste der Themen, die Ari Aster in „Eddington“ behandelt: die Covid-Pandemie, Black Lives Matter, Trump, Verschwörungstheorien wie Pizzagate oder Qanon, Kyle Rittenhouse, Antifa. Toxische Männlichkeit, Rassismus, den Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern. Und Smartphones. Und Tech-Konzerne. Und KI. Niemand hat bisher die Ambition gehabt, einen solchen Film zu drehen – einen, der die USA in den 2020er-Jahren so allumfassend abbildet. Dass der Regisseur nicht jedem Thema zu 100 Prozent gerecht werden kann, ist da absehbar. Dass sein Urteil schlussendlich vernichtend ausfällt, auch. Und dass „Eddington“ nicht komplett unter seinem eigenen Anspruch zersplittert, ist beachtlich – auch wenn es manchmal so scheint, als wäre der Film kurz davor.

Der Western „Eddington“ mit Joaquin Phoenix und Pedro Pascal in den Hauptrollen läuft in den Kinos.
Der Western „Eddington“ mit Joaquin Phoenix und Pedro Pascal in den Hauptrollen läuft in den Kinos. Foto: Foto: Leonine Filmdistribution

Die fiktive Kleinstadt in New Mexico wird dabei für Aster zur Petrischale seines Versuchs – ziemlich buchstäblich, denn am Anfang steht Covid-19. Die Krankheit hat Eddington noch nicht erreicht, aber Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal, „The Last Of Us“) hält sich an die Vorschriften und setzt eine Maskenpflicht durch. Sheriff Joe Cross (Joaquin Phoenix, „Joker: Folie à deux“) findet das übergriffig und kandidiert kurzerhand selbst für das Amt. Allerdings hat seine Abneigung gegen Ted womöglich weniger mit Politik zu tun als mit Joes Frau Louise (Emma Stone, „Bugonia“), die eine Vergangenheit mit dem Bürgermeister hat und bis heute psychologisch instabil ist. Dass Louises Mutter Dawn (Deidre O’Connell, „The Penguin“) bei den beiden wohnt und unablässig Verschwörungstheorien aus dem Internet wiederkäut, tut nichts dazu, die Situation zu entschärfen. Die Rivalität zwischen den beiden Männern eskaliert zunehmend, während die BLM-Proteste nach der Tötung von George Floyd zusätzliche Spannungen verursachen.
Asters Umgang mit den Protesten ist dabei eine der Stellen, die für Kontroversen sorgen werden. Denn seine Satire trifft eben nicht nur reaktionäre Corona-Leugner:innen, sondern enthält auch Witze über überkorrekte weiße liberals, die sich sogar bei Demos gegen rassistische Polizeigewalt noch selbst ins Zentrum rücken. Zeitweise scheint es gar, als würde Aster hier rechts und links gleichsetzen oder zumindest als gleich absurd darstellen wollen. Doch das hält zum Glück nicht lange vor: Bald bleibt uns das Lachen über Asters harmlose Witze über wokeness im Hals stecken, weil die Gegenseite sich als tausendmal gefährlicher erweist. „Eddington“ enthält zahllose Wendungen und sollte unbedingt ungespoilert geschaut werden, doch sei hier gesagt, dass Aster genau weiß, was er tut – auch in Bezug auf die Frage, welche anfangs sympathischen Figuren sich als Monster herausstellen. Dabei erweist sich der Kapitalismus zuletzt als das vielleicht größte Übel von allen.

Wie bei seinen Horrorfilmen „Hereditary“, „Midsommar“ und „Beau is afraid“ achtet Aster auf jedes Detail, was vom Publikum intensive Aufmerksamkeit erfordert (man achte etwa auf die Worte des Obdachlosen oder die Puppen, die Louise herstellt). Und wie die Vorgänger wird auch „Eddington“ irgendwann sehr blutig, auch wenn der Film mit seinen wunderschönen Landschaftsaufnahmen anfangs im Gewand eines Neo-Westerns daherkommt. Allerdings ein Western in der Hightech-Variante: Kaum ein Film hat bisher die Allgegenwart von Smartphones so realistisch eingefangen wie dieser. Die Performances sind durch die Bank großartig, doch wie schon „Beau is afraid“ gehört der Film ganz Phoenix, der Joe als einen gehetzten, überwältigten Mann spielt, der aus Feigheit und Rachsucht alles verliert. Wer Asters andere Filme gesehen hat, wird dessen zutiefst misanthropische Weltsicht kennen, und „Eddington“ ist sein bisher zynischstes Werk. Das kann man als vorhersehbar, fatalistisch oder schlicht deprimierend kritisieren. Aber wie sagen Zyniker gerne? „Ich bin gar kein Zyniker, ich bin Realist.“

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