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Freisein statt Liberalismus: „Ein letztes Liebeslied“ – das Albumdebüt von Marlo Grosshardt

Marlo Grosshardt Ein letztes Liebeslied
Die Kulisse trügt: Hafenromantik ist nicht sein Ding – das Video zu „Christian Lindner“ drehte Marlo Grosshardt vor dem Hamburger Rathaus. (© Elias Martens)

Marlo Grosshardt fasst das Unbehagen der Gen Z in Songs voll Zorn und Zärtlichkeit – heute veröffentlicht er sein erstes Album und geht auf Tour.

Lass mich los, ich fliege

„Stell dir gar nicht die Frage, wer enttäuscht von dir ist“ – die Zeile aus „Fliegen“ verbindet die Pole des Debütalbums von Marlo Grosshardt: Autonomie und Gemeinschaft, Zorn und Zärtlichkeit. „Fliegen“ ist ein Liebeslied über die Lust aufs Alleinsein und den Mut, das offen auszusprechen, auch auf die Gefahr hin, Erwartungen zu enttäuschen und romantische Codes zu verletzen: „Mit mir was anzufangen, hat heute kein Zweck.“

Leise Töne treffen bei dem 22-jährigen Singer/Songwriter auf Frust und Aversion gegenüber den herrschenden Verhältnissen. Immer geht es um Möglichkeiten des Fliegens – Freisein, Offenheit und Leichtigkeit in privaten Beziehungen und gesellschaftlichen Strukturen.

„Christian Lindner“ von Marlo Grosshardt

Witz versus System

Doch wie viel Fliegen erlaubt der Spätkapitalismus? Gegen die Mühlen des Arbeitslebens rebelliert Grosshardts kraftvolle Hymne „Angestellt sein“ mit optimistischer Pointe. „Der Plan“ kontert die Bescheidwisserei der Angepassten mit beißender Ironie, während „Jungfernstieg“ das Scheitern einer auf Status fixierten Welt beschreibt, deren Horizont bei Labels und Likes endet.

Also, no Future? Paradoxerweise öffnet ausgerechnet „Christian Lindner“ den Blick nach vorn: Dem Zorn der Gen Z auf das herrschende FDP-Establishment folgt hier als Hoffnung auf bessere Zeiten ein improvisierter Kinderchor. Ein Song, drei Generationen – und schon sieht der Popstar der Politik ziemlich alt aus.

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