Einen vom Pferd: Matthew Herbert im Interview zu „The Horse“
Um 35 000 Jahre in der Zeit zurückzureisen, stöbert der Komponist und Produzent Matthew Herbert auf Ebay auch schon mal nach Skeletten und Sperma.
„The Horse“ von Matthew Herbert: Ein Album aus einem Pferd
Matthew, für dein neues Album „The Horse“ hast du dir ein Pferdeskelett besorgt und aus den Einzelteilen Instrumente anfertigen lassen. Was zum Teufel?
Matthew Herbert: In meiner Arbeit denke ich viel über Körperlichkeit, über das Verhältnis vom Animalischen zum Spirituellen und unserem Verhältnis zur Erde, zur Natur nach. Mir ging es hierbei auf einer Metaebene um den materiellen Ursprung der Musik selbst: Trommeln aus Tierhaut, Flöten aus Knochen, Streicherbögen aus Pferdehaaren. Heute ist Musik eine zweidimensionale Simulation geworden – und ich wollte zurück zum Ursprung.
Wo findet man so ein Skelett? Doch nicht etwa bei Ebay, oder?
Herbert: Doch auf Ebay. (lacht) Ich hab’ einfach „großes Skelett“ eingegeben – und schon ging’s los.
Was ging los?
Herbert: Eine Entdeckungsreise. Die ersten Musikinstrumente, von denen wir wissen, waren Knochenflöten von Bären, die die Neandertaler genutzt haben. Plötzlich war ich wieder in dieser Zeit. Ein Freund hat erste Instrumente aus den Knochen gemacht, und ich habe begonnen zu experimentieren. Vor 35 000 Jahren hat sich auch niemand einen Plan gemacht, bevor in eine Knochenflöte geblasen wurde.
Du hast auch einen Shaker mit Polopferd-Sperma befüllt. Klingt das Sperma von Polopferden etwa besonders gut?
Herbert: Mit der DNA und dem Sperma von Renn- und Polopferden wird richtig Geld gemacht. Ich liebe den Gedanken, dass Polo ein Sport der Superreichen ist, die die Pferde völlig ausnutzen, und wir denen ihr heiliges Sperma wegnehmen, um damit dem Pferd auf Albumlänge zu huldigen. Der Shaker taucht auch erst gegen Ende des Albums auf. Ich sehe darin eher ein Moment der Wiedergeburt, der Multiplizierung, den wir dem menschlichen Missbrauch der Pferde und der Natur entgegensetzen.
Hattest du ethische Bedenken vor dem Album? Isst du etwa Tiere?
Herbert: Tatsächlich hatte ich ein paar Probleme mit Tierschutzorganisationen, aber ohne Tiere hätten wir nie Instrumente, wie wir sie heute kennen. Und ja, ich esse Tiere. Aber seit meinem Schweine-Album keine Schweine mehr – ab jetzt werde ich auch Pferde vermeiden. (lacht) Das ist aber ein Thema, über das ich jeden Tag nachdenke. Ich glaube sogar daran, dass Pflanzen und Bäumen ein wahres Leben innewohnt. Wir gehen so verschwenderisch mit alldem um, schmeißen 20 bis 30 Prozent der produzierten Lebensmittel einfach weg. Da braucht es einen Wandel!