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„Alle hassen Ferris“ von Ferris MC: Ferris forever

Portraitfoto Ferris MC
(Foto: Martin Fischer)

Sein inneres Außenseitertum hat Ferris MC lange Jahre mit Drogen therapiert. Jetzt kehrt er das Innere nach außen – nicht nur auf einem neuen Album, sondern auch mit einer Autobiografie.

Ferris MC hat den Durchblick: Nur eine Glaswand trennt das Interviewzimmer vom Rest der Etage. Der Musiker kann einmal quer durch das Hauptquartier seiner Plattenfirma sehen, und dann ist da ein gigantisches Fenster. Dahinter liegt der Hamburger Industriehafen mit seinen Kränen und Containerschiffen. Obwohl Ferris, bürgerlich Sascha Reimann, eigentlich aus Bremen kommt, wird er seit den 90ern mit Hamburg assoziiert, als er hierher gezogen ist, um HipHop zu machen. Er gilt als einer der Pioniere des Genres in Deutschland.

Mit seiner Strickmütze sieht er noch immer wie ein Rapper aus, obwohl das neue Album „Alle hassen Ferris“ musikalisch damit sehr wenig zu tun hat. Wie schon den Vorgänger „Missglückte Asimetrie“ hat Ferris es auf dem Label Missglückte Welt des Punkrockers Swiss veröffentlicht. Doch nichts ärgert ihn so sehr wie die Annahme, er habe erst jetzt zum Rock gefunden: „Ich habe das schon immer gemacht, ich bin sogar einer der Vorreiter!“

Als Teil der Rapszene hat sich Ferris MC ohnehin nie wirklich gesehen. Er nennt sich selbst einen Sonderling: „Ich bin in einer extrovertierten Branche, bin aber eigentlich wirklich ein introvertierter Typ.“ Schwer vorstellbar, wenn man ihn auf der Bühne gesehen hat, allein oder mit Deichkind, wo er bis 2018 Mitglied war. Aber: „Früher musste ich vor Shows regelmäßig kotzen“, gibt er zu. „Doch sobald ich auf der Bühne bin, wird unbewusst ein Schalter umgelegt und ich gebe alles.“

Der Außenseiter-Status hat allerdings nicht nur musikalische Gründe, sondern auch mit dem Drogeneskapaden zu tun, die lange Zeit sein Alltag waren. Darüber schreibt Ferris in seiner Autobiografie „Ich habe alles außer Kontrolle“, die er selbst mit „Trainspotting“ vergleicht. „Ich musste ganz schön die Hose runterlassen“, schmunzelt er. „Aber das gehört dazu bei einer Biografie.“ Er ist sichtlich stolz auf das Buch: Sobald die Sprache darauf kommt, lebt er auf und greift nach der Kopie, die neben ihm auf dem Tisch liegt. Verfasst hat er es mit seiner Frau, die Journalismus studiert hat – allein hätte er es nicht geschafft. „Weil ich nicht mehr kiffe, hätte ich mich sowieso nicht auf Buchlänge konzentrieren können, das wäre eher wie meine Texte geworden.“ Wie er dem Cannabis nach Jahrzehnten abgeschworen hat, beschreibt Ferris im Buch mit schmerzhafter Intensität. Heute zieht er an einer E-Zigarette und trinkt Wasser, wirkt entspannt und ausgeruht.

Hat er Angst, als Spießer abgetan zu werden? Der Song „Alle hassen Ferris“ scheint darauf hinzudeuten. Er habe ihn aus der Perspektive eines Fans geschrieben, sagt er. Aber wirklich Verständnis hat er für diejenigen nicht, die sich den alten Ferris zurückwünschen: „Wenn ich den Stand des 25-jährigen Ferris durchgezogen hätte, dann wäre ich gar nicht hier und könnte gar keine Musik machen.“ Da ist er, der Durchblick – er hat ihn sich hart erkämpft.

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