Festivals for Future
Wie kann ein nachhaltiges Festival aussehen? Im Interview stellt Eike Eberhard vom MS DOCKVILLE ein paar Ansatzpunkte vor.
Im Jahr 2022 sind endlich wieder Festivals im vollen Umfang möglich. Doch diese freudige Tatsache bringt zugleich alte Herausforderungen zurück. Vor allem die Frage der Nachhaltigkeit, denn immerhin sind Musikfestivals Großevents, die traditionell nicht unbedingt gut für die Umwelt sind. Das wollen mehr und mehr Veranstalter:innen ändern. Aber wie gestaltet man Festivals nachhaltig? Wir haben mit Eike Eberhardt gesprochen, der unter anderem das MS DOCKVILLE in Hamburg mitorganisiert.
Eike, Festivals und Nachhaltigkeit: Geht das überhaupt zusammen?
Eike Eberhardt: Tatsächlich haben wir gerade im Büro noch über die Frage debattiert, ob Festivals nicht grundsätzlich zu wild sind: Man baut etwas auf, wo ganz viele Menschen zum Feiern hinkommen, und dann baut man es wieder ab. Doch es gibt auf jeden Fall Mittel und Wege, das alles ökologisch verträglicher zu gestalten. Festivals sind also nicht explizit mehr Umweltsünder als andere Sachen, wenn man sich anstrengt. Da steckt auf jeden Fall auch ein Imperativ mit drin. Wir haben einen Code of Conduct, in dem steht, dass wir zwar nicht ausschließlich da sind, um die Welt zu retten – was wir aber auf keinen Fall wollen, ist, Partys zum Untergang der Welt zu schmeißen.
Essen, Booking, Anreise: Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit
Wo sind die wichtigsten Ansatzpunkte, wenn man ein nachhaltigeres Festival gestalten will?
Eberhardt: Aktuell arbeiten wir besonderes daran, den eigenen Fußabdruck abzubilden und zu quantifizieren. Denn wir wollen auf keinen Fall Greenwashing betreiben. Zum Beispiel kann man für Takeaway-Sachen statt Plastik Papier verwenden – aber ein vegetarisches oder veganes Essensangebot spart wahrscheinlich viel mehr Emissionen. Unser Ziel ist, beides davon zu machen – vegan auf Papiertellern, sozusagen.Wir haben in Zusammenarbeit mit Expert*innen ein Manifest erarbeitet, in dem wir uns den Zielen der UN für eine nachhaltige Entwicklung verpflichten – das betrifft nicht nur ökologische, sondern auch soziale Nachhaltigkeit, etwa dass wir diskriminierungsfrei und barrierefrei sein wollen.
Gibt es konkrete Beispiele, was man unternehmen kann?
Eberhardt: Beim Booking der Künstler:innen versuchen wir, mit anderen Festivals zu kooperieren, damit wir uns die Reisen teilen – das ist einerseits bezahlbarer, aber natürlich auch nachhaltiger, als wenn wir etwa Wiz Khalifa für einen Auftritt aus den USA einfliegen und dann sofort wieder zurückfliegen lassen. Auf dem Gelände geht es zum Beispiel um Kompost-Toiletten, um den Umgang mit Grünflächen oder um Strom. Wir haben haben unser Marketing angepasst, verzichten so gut wie möglich auf Wegwerf-Werbung und versuchen stattdessen, die Menschen anderweitig zu erreichen. Für die Anreise drehen wir extra Videos, um den Besucher:innen zu zeigen, wie sie möglichst klimafreundlich zu uns kommen.
Nicht nur Musik: Kunst und Kulissen
Neben dem DOCKVILLE richtet eure Firma Kopf & Steine auch noch andere Festivals auf dem Gelände aus, etwa das MS ARTVILLE. Welche Herausforderungen bringen die unterschiedlichen Veranstaltungen mit sich?
Eberhardt: Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen dem Kunstfestival MS ARTVILLE, dann Habitat, SPEKTRUM und VOGELBALL als Ein-Tages-Festivals und als letztes dem DOCKVILLE, bei dem wir über 60 000 Besucher:innen haben, von denen auch viele campen. Die zentrale Herausforderung ist dabei der Aufbau des Geländes. Wir haben das Glück, dass wir mit dem MS ARTVILLE anfangen: Das Gelände wird damit sozusagen sukzessive bebaut, bis am Ende die großen und vielen Bühnen für das DOCKVILLE stehen. Das MS ARTVILLE ist außerdem ein Festival für urbane Kunst, die ja von dem Gedanken lebt, dass man verwendet, was man vorfindet. Zusätzlich werden Kunstwerke aus einem Jahr nicht wieder plattgemacht, sondern zum Teil des Geländes. Und wenn ein Werk mal den Winter nicht überlebt, wird idealerweise im Jahr darauf etwas Neues aus dem Material gemacht.
Auch Künstler:innen denken mit
Wir wichtig ist Nachhaltigkeit den Besucher:innen? Bekommt ihr viel Feedback zu dem Thema?
Eberhardt: Unsere Zielgruppe liegt in etwa in der Altersgruppe zwischen 16 und 40 Jahren– also mindestens in Teilen die Generation Fridays for Future. Unserer Zielgruppe ist aber Nachhaltigkeit auch ungeachtet des Alters wichtig, selbst wenn das bei einem Festival bzw. der Wahl eines Festivals nicht der einzige relevante Faktor ist. Die Leute wissen aber, dass wir uns um Nachhaltigkeit bemühen – und dieser Vertrauensvorschuss ist für uns auch Motivation.
Und was ist mit den Künstler:innen?
Eberhardt: Tatsächlich merken wir das seit einigen Jahren umso stärker. Die Künstler:innen versenden ja vor dem Festival immer sogenannte Rider, in denen technische Erfordernisse, aber auch Wünsche bezüglich Verpflegung, Unterbringung und so weiter stehen. Dort ist Nachhaltigkeit ein großes Thema: Es wird um vegan-vegetarisches Essen gebeten, aber auch um den Verzicht auf Einweg-Geschirr oder die Bitte, keine Produkte von Marken zu stellen, die bekannte Umweltsünder sind. Natürlich machen das nicht alle Künstler:innen, aber immer mehr – und viele der großen Agenturen haben das automatisch in ihren Ridern.