„FIFA uncovered“ auf Netflix und der Godfather des Fußballs
Netflix zeigt „FIFA uncovered“. Die Dokuserie zeigt anlässlich der Fußball-WM in Katar die kriminellen Aktivitäten des Weltfußballverbandes.
Die Netflix-Dokuserie FIFA uncovered beginnt mit spektakulären Verhaftungsszenen aus dem Jahr 2015 und der medialen Berichterstattung darüber: Das FBI ließ damals in Zürich in einem Hotel, in dem immer die FIFA-Funktionäre absteigen, 14 Mitglieder des Exekutivvorstands wegen des Verdachts auf Korruption festnehmen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass das FBI die Ermittlungen im Jahr 2010 aufgenommen hatte, kurz nachdem die FIFA die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar vergeben hatte: Die USA waren als Favorit im Vergabeverfahren gegen Katar unterlegen.
Tatsache ist aber: Das FBI hatte Beweise. So viele Beweise, dass bis heute zehn FIFA-Fuktionäre der Korruption überführt wurden. Die Pressekonferenz des US-Justizministeriums gemeinsam mit FBI-Direktor Jim Comey schlug mediale Wellen wie nicht viele Enthüllungsstorys aus der Welt der organisierten Kriminalität. Die Serie FIFA uncovered aber lässt diesen Skandal von 2015 erst mal nur als Appetitanreger und Gruß aus der Doku-Küche für die kritischen Fußballfans als größten Sportkorruptionsskandal aller Zeiten stehen und geht zurück bis ins Jahr 1974, als Deutschland die WM ausrichtete. Damals begann der Aufstieg des Schweizers Sepp Blatter, der den Weltfußballverband über Jahrzehnte von einer kleinen Organisation, die in einer Wohnung in der Schweiz residierte, zu einem Weltkonzern machte.
Die Serie FIFA uncovered geht kurz zurück ins FIFA-Gründungsjahr 1904, zeigt uralte schwarz-weiß-Filmchen von Weltmeisterschaften und geht dann ins Jahr 1974, als der englische Schiedsrichter und FIFA-Chef Sir Stanley Rous vom brasilianischen Industriellen João Havelange in einer Kampfabstimmung abgelöst wird. Die Serie arbeitet heraus, wie Avelange als erster Mensch in der FIFA zwei Faktoren nutzte, um an die Macht zu gelangen: Versprechen an Länder in Afrika, politischen Druck auf den Apartheidsstaat Südafrika auszuüben, war der erste Faktor; Geldzuweisungen in Briefumschlägen der zweite. Avelange stellt noch im gleichen Jahr den jungen Sepp Blatter für die Vermarktung innerhalb der FIFA ein. Blatter holte als erste große Amtshandlung die Weltmarke Coca Cola ins Boot. Die Vermarktung der TV-Rechte ging an die von Adidas-Chef Horst Dassler gegründete Vermarktungsgesellschaft ISL.
FIFA uncovered ist bei dieser Schilderung, wie die Korruptionsmechanismen zuerst etabliert und dann immer weiter ausgebaut werden, so kurzweilig, weil Regisseur Daniel Gordon wirkmächtige und ikonische Filmsequenzen aus der Fußballhistorie zu einer immer mächtiger in die Geschichte reinziehenden Komposition verbunden hat. Dazwischen plaudern von der FIFA-Whistleblowerin über den Guardian-Journalisten und den sauber gebliebenen FIFA-Funktionär bis hin zum Godfather der FIFA – Sepp Blatter – alle vorm Netflix-Mikro, was sie wissen und denken. Das ist so gut gemacht, dass man nicht weiß: Soll ich mich jetzt über so viele Verbrechen im Namen des Fußballs ärgern, oder ist das nicht doch nur Unterhaltung pur – True Crime im Fernsehen sozusagen?
Um es vorwegzunehmen: So wie die FIFA weiter fleißig Weltmeisterschaften vergibt und zum Beispiel die stinksauere USA inzwischen mit der WM 2026 zufriedenstellte, so wird die FIFA auch in Zukunft weiter existieren. FIFA uncovered aber ist wie die anderen Dokumentationen, die püntlich zur WM in Katar an den Start gehen, lediglich das mediale Feigenblatt zu einem Sportereignis, das so nie hätte stattfinden dürfen. Mal sehn, wie man all die kritischen Beiträge beim WM-Schauen zwischendurch im Leben unterbringen kann, ohne ein wichtiges Spiel der Weltmeisterschaft zu verpassen. Schlimm genug, dass die Spiele schon um 11 Uhr vormittags beginnen und die Aufmerksamkeit des Fußballfans binden.