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„Friedefeld“ in der ARD : Was kann die erste deutsche Animated Sitcom?

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Von links: Die drei Halbgeschwister Ludwig Auster, Paul Jakobs und Barbie Schmidt in Pauls Wohnung. (Foto: SWR/BR/Little Dream Entertainment)

In den USA ist das Genre längst etabliert. Nun geht mit „Friedefeld“ die erste deutsche Animated Sitcom an den Start. Mutig oder peinlich?

Natürlich müssen Animated Sitcoms in allererster Linie witzig sein. Was „Die Simpsons“, „South Park“ oder „Futurama“ darüber hinaus zu den beliebten Klassikern gemacht hat, die sie heute sind, ist ihr kreativer Ansatz, das Absurde und den Wahnsinn unserer Gegenwart sichtbar zu machen. Kein anderes Genre erlaubt es, in einem so enormen Tempo von bekloppten Banalitäten zu den großen Fragen der Moral und Politik zu springen.

Dass die Animated Sitcom bislang ein vorwiegend amerikanisches Phänomen geblieben ist, mag daran liegen, dass in den USA der Wahnsinn bereits mitten auf den Straßen liegt, oder dass Deutschland einfach nicht so witzig ist. Mit „Friedefeld“ geht nun die erste deutsche Animated Sitcom in der ARD (jetzt in der Mediathek streamen) an den Start und macht vieles richtig.

„Friedefeld“: Jetzt in der ARD-Mediathek streamen

Auch an Friedefeld geht der Klimawandel nicht spurlos vorbei: ein ausgetrockneter See, Hitzewellen zwingen Tiere in die Knie, und der Stadtpark soll einem Ladesäulenstreifen für die große E-Mobilitätswende weichen. Mittendrin die „halben Drillige“ Paul (David Kross), Ludwig (Johannes Lange) und Barbie (Jacqueline Belle) – alle drei von unterschiedlichen Frauen am selben Tag zur Welt gebracht und Kinder des einflussreichen Gerd (Frank Gustavus)

Während sich Paul nur schwerlich von seiner Couch befreit und zwischen NFT-Shoppingtouren im Meta-Verse, Online-Therapiesitzungen und Binge-Watching seine Beziehung mit Berthe (Nora Becker) aufs Spiel setzt, haben seine beiden Halbgeschwister nicht weniger vor, als die Welt zu retten – allerdings mit sehr unterschiedlichen Ansätzen.

Als kalte Top-Managerin übernimmt Barbie das führende Automobilunternehmen GIESEL. Ihr Plan ist eine komplette Umrüstung auf E-Mobilität: „Grün, grüner, GIESEL“ – koste es, was es wolle. So entschlossen sie an ihrem Plan festhält, so sprunghaft ist ihr seit der dritten Klasse ketterauchender Halbbruder Ludwig, der „Let’s Smoke“-Videos streamt und ständig eine neue welterklärende Formel ausheckt.

Ludwig spielt auf einem Spielplatz Schach gegen den Penner-König.
Ludwig spielt auf einem Spielplatz Schach gegen den Penner-König. Foto: SWR/BR/Little Dream Entertainment

Im zackigen Tempo führen die drei Protagonist:innen durch die knapp 25-minütigen Folgen, die in Superhelden-Satire, Entführungsdramen oder Cloudrapkonzerten münden. Mit Captain Deutschland und dem König der Obdachlosen werden Figuren eingeführt, die es so nur in einer Animated Sitcom geben kann, und die eingangs erwähnte Gratwanderung zwischen völlig wahnsinnigem Humor und den ganz großen Fragen gelingt „Friedefeld“ ziemlich gut.

So lässt sich die zehnteilige Serie als spitze Satire zu Themen wie Klima, Greenwashing, soziale Ungleichheit, technologischen Perversionen, Geschlechterrollen und Sex schauen oder als bloßes Entertainment, was das federführende Drehbuch-, Regie- und Zeichner-Duo Alfonso Maestro und Tillmann Orion Bremer genau so forciert haben dürfte: „Friedefeld widmet sich den tiefgründigen existenziellen Fragen unserer Zeit: Welche Sneaker ziehe ich an? Wo ist der WLAN-Schlüssel? Es geht aber auch um Banalitäten wie Moral, Klimawandel, den Weltuntergang. Wir hoffen einfach, das Publikum kann sich 25 Minuten lang in den Themen und Charakteren wiederfinden, während ihr Essen im Ofen verbrennt“, erklären die zwei.

Ist „Friedefeld“ radikal genug?

Trotz allem kann der Serie durchaus vorgeworfen werden, nicht All-in gegangen zu sein. Sowohl inhaltlich wie stilistisch findet die Serie stets zu einer dann doch recht braven Ausrichtung zurück. Noch abgedrehter, noch kompromissloser ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vielleicht nur schwer zu verargumentieren, für eine zweite Staffel oder ein weiteres Projekt aus dem Hause brave new work und Little Dream Entertainment wäre das aber durchaus wünschenswert. Schließlich hat die Serie immer wieder diese radikalen Momente, kassiert diese dann aber zu oft gleich wieder ein und beraubt sich somit selbst an Witz. Und auch optisch wagt „Friedefeld“ nur wenig Experimente, bedient der Stil doch eine sehr herkömmliche, unserer Welt ähnelnden Bildsprache, die nur selten herausfordert.

Irgendwer muss nun mal den ersten Schritt wagen, und „Friedefeld“ hat gleich mal ganz locker drei, vier Schritte vorgelegt. Und so bleiben all die kleinen Kritikpunkte bloße Schönheitsfehler. Geben wir dem für Deutschland neuen Genre und der Serie Zeit, sich zu entwickeln. Dass sich die ARD traut, eine Animated Sitcom ins Programm aufzunehmen, und diese nicht irgendwo um 4:30 Uhr versteckt, stimmt doch immerhin zuversichtlich.

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