„German Crime Story: Gefesselt“ – Mord im Atomschutzbunker
Die Serie „German Crime Story: Gefesselt“ auf Amazon Prime handelt vom Säurefassmörder Raik Doormann (Oliver Masucci) in den 1980ern.
Er kommt in der ersten Folge der Serie German Crime Story: Gefesselt (ab sofort auf Amazon Prime) daher wie Olli Dittrichs Figur Dittsche, so harmlos klingt der Hamburger Slang des von Oliver Masucci gespielten Raik Doormann, der in den späten 1980ern und frühen 90ern als so genannter Säurefassmörder in Hamburg Frauen entführte, sie in seinem Atombunker einschloss und dort unendlich quälte, ehe er sie umbrachte. Oliver Masucci („Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, „Schachnovelle“) spielt diesen Raik Doormann in dessen zynisch-unschuldiger Selbsteinschätzung als nur ein bisschen auf Sado-Maso stehender Mann hervorragend. Die Diskrepanz zwischen spießbürgerlicher Vorortidentität und verkrachter ökonomischer Existenz des gelernten Kürschners auf der einen Seite und dem empathielosen Ausleben von sadistischer sexueller Gewalt auf der anderen Seite wird im Lauf der Serie für alle zum Lackmustest, die sich die Geschichte anschauen: Will man ab einem gewissen Punkt überhaupt weitergucken?
Regisseur Florian Schwarz („Für immer Eltern“) hat die Serie German Crime Story: Gefesselt gedreht. Man darf anhand des Titels annehmen, dass ihr unter anderem Namen als „Gefesselt“ noch weitere Staffeln mit der Fiktionalisierung von realen Gewaltverbrechen in der deutschen Geschichte folgen werden. In German Crime Story: Gefesselt hat Florian Schwarz vor allem auch die Frauenfeindlichkeit der noch nicht so weit zurückliegenden späten 80er und frühen 90er Jahre schmerzhaft herausgearbeitet. Das gesamte Lebensumfeld des Mörders Dormann ist geprägt von einer Duldung chauvinistischer bis misogyner Handlungen und Redeweisen im Alltag. Nicht besser aber läuft es bei der Polizei ab. Die Behandlung von weiblichen Opfern männlicher Gewaltverbrechen durch Polizeibeamte ist von grausamer, zynischer Gleichgültigkeit und einem Willen zum Nichtglauben der Aussagen geprägt. Ähnlich ergeht es der Ermittlerin Nela Langenbeck (Angelina Häntsch, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“), der Gegenspielerin Raik Doormanns bei der Polizei.
Nele Langenbeek setzt sich zuerst mit ihrer Entführungstheorie und dann auch mit ihrer Mordtheorie gegen den Widerstand aller ihrer männlichen Kollegen durch, erträgt geduldig, aber mit resolutem Widerstand das tägliche Mobbing am Arbeitsplatz und zieht den Sinn der ganzen Arbeit in der Notwendigkeit, dass eine diesen Job ja erledigen muss. German Crime Story: Gefesselt ist ganz schwer verdauliche Kost und gerade deshalb zu empfehlen.