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Glückliche Spinner: „Schlachthof – 1994 bis heute“ – ein Buchband zum 30. Jubiläum

Schlachthof

Sie hatten keinen Business-Plan, aber eine Vision: Zum 30. Geburtstag feiert sich das Kulturzentrum Schlachthof und blickt in einem bildgewaltigem Buch zurück auf die Anfänge.

Wer einen Klub eröffnet, braucht Mut. Wer ihn dann auch noch 30 Jahre lang heil durch die unsicheren Gewässer der Kulturindustrie manövriert, braucht Glück. Und davon hatten die Gründer:innen des Kulturzentrums Schlachthof in Wiesbaden eine Menge. „Ohne Business-Plan, ohne Startkapital und ohne Kredit waren wir kein Start-up, sondern Spinner“, heißt es in dem bildgewaltigen Buchband „Schlachthof – 1994 bis heute“, der nun pünktlich zum 30. Geburtstags der ikonischen Kulturstätte erscheint.

„Die Zeit war quirlig. Wir sampelten Kassetten, machten Kollagen, schrieben Liebesbriefe mit der Hand und Parolen an die Wand. Irgendwas ging immer; Kunst, Film, Musik, Tanz, Fanzines, Theater und Performance.“ So katapultiert einen die so liebevolle Dokumentation zurück bis zu den Anfängen eines DIY-Kollektives zwischen DGB, Antifa und Musiker:innen, das außer der Vision, Kultur mit Haltung nach Hessen zu bringen, nicht viel hatte. Wie es diese Vision geschafft hat, bis heute Bestand zu haben, dokumentiert dieser Bildband: von den Anfängen eines umgebauten Schlachthofes, der den Geist der Tierkadaver noch in sich trug, über die ersten großen Punkkonzerte, den Umbau des Außengeländes in einen Kulturpark und der Innovation großer eigener Festivalmarken wie etwa der Tapefabrik bis zum alles erodierenden Beben der Veranstaltungswelt: die Corona-Pandemie.

Und selbst die konnte den Schlachthof nicht in die Knie zwingen. Das Kulturzentrum ist zur Institution der Landeshauptstadt, ganz Hessens und vielleicht sogar des ganzen Landes geworden. Bis heute lebt der gemeinschaftliche Geist dieses Ortes, bis heute macht sich der Schlachthof stark gegen Diskriminierung, Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie und zeigt so, dass man auch mit Haltung weit kommen kann. Erst im November 2024 hat der Schlachthof Wiesbaden den „Nachhaltigkeitspreis“ beim APPLAUS-Award gewonnen. Der wohl wichtigste Deutsche Preis für engagierte und kreative Klubs.

Wer sich durch „Schlachthof – 1994 bis heute“ blättert, bekommt einen Eindruck davon, wie wichtig die Arbeit solcher Orte der Begegnung ist. Wie viele unvergessliche, kämpferische und mobilisierende Momente dort geschaffen werden, wie viel Glück dort entsteht. Und Glück werden wir wohl alle brauchen für die nächsten 30 Jahre. Damit es weiterhin solche Spinner gibt wie die des Schlachthofs in Wiesbaden. Denn einfacher wird es ganz bestimmt nicht. So auch der Appell am Ende des Buches: „Krisen können sich nicht wegfinanzieren lassen, sie müssen kulturell bewältigt werden.“

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