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„Hameln“: Der müde Horror des Rattenfängers

Götz Otto darf als Rattenfänger Schrecken verbreiten: Die Horrorserie „Hameln“ läuft bei ZDFneo und kann in der ZDF-Mediathek gestreamt werden.
Götz Otto darf als Rattenfänger Schrecken verbreiten: Die Horrorserie „Hameln“ läuft bei ZDFneo und kann in der ZDF-Mediathek gestreamt werden. (Foto: ZDF/Roland Guido Marx)

Das Märchen vom Rattenfänger von Hameln schien abgeschlossen. Aber da konnte keiner ahnen, dass der Mann mitsamt der toten Kinder in Hameln wieder auftauchen könnte, um sich die Lebenden zu holen.

Der Rattenfänger von Hameln treibt wieder sein Unwesen, und die im Mittelalter entführten Kinder sind nicht weit: Als böse Geister versetzen sie Jugendliche im heutigen Hameln in den Rachemodus. Diese töten wie in Trance ihre Eltern und dann sich selbst. Was ist da los? Die Polziei ist ratlos. Die Serie „Hameln“ läuft jetzt bei ZDFneo und kann in der ZDF-Mediathek gestreamt werden. Sie versucht aus dem Märchen eine Horrorgeschichte der Jetztzeit zu entwickeln, was ihr gründich misslingt.

Was ist los in Hameln? Schulpflichtige Jugendliche haben nur Freizeit, der Psychoge hat kaum Klienten, der Kriminalbeamte kaum einen Fall. Dann töten immer mehr – sind sie etwa gelangweilt? – Jugendliche ihre Eltern und danach meist sich selbst. Schon bald ist klar: Die Mordserie hat viel mehr mit dem Märchen zu tun, als die ignoranten Erwachsenen wahrhaben wollen. Dass die drei damals im Mittelalter verschonten Jugendlichen – die Blinde, der Taube und der Lahme – heute in einer Reinkarnation wieder leben und vom Rattenfänger bald schon in sein Reich geholt werden sollen, wird beim Zuschauen schnell klar: wenn die blinde Finja, der gehörlose Jannik und der im Rollstuhl sitzende Ruben gemeinsame Albträume haben, die im mittelalterlichen Hameln spielen; aber auch, wenn ihnen die Geister der damals entführten Kinder erscheinen, die sie im Auftrag des Rattenfängers mit sich nehmen wollen.

Regisseur Rainer Matsutani („Spides“) hat gemeinsam mit Sandro Lang das Drehbuch zu diesem Sechsteiler geschrieben, der – man muss es leider sagen – in vielfacher Hinsicht zum Ausschalten anregt: Der unausgegorene Plot steckt voller unglaubwürdigerTwists, die keinen Thrill erzgeugen; die Dialoge sind so hölzern, dass Caroline Hartig in der Rolle der Finja und Riccardo Campione als Ruben auch in größter Gefahr nicht zum Mitfiebern anregen. Lediglich der gehörlose, erst angehende Schauspieler Constantin Keller in der Rolle des Jannik entwickelt ein Gefühl für seine Figur und kann das auch vermitteln. Besonders schlimm aber hat es Jonathan Elias Weiske als Janniks Bruder Sam erwischt: Seine Figur ist eine des Zweiflers, doch ist sie dermaßen sprunghaft angelegt, dass man nur noch Mitleid mit dem Schauspieler hat: Der muss wie auf Knopfdruck immer wieder zwischen Untersützung, Defätismus und aggressiver Belehrung wechseln – im Ergebnis das Gegenteil eines glaubwürdigen Charakters. Bleibt noch die Dramaturgie der Serie mit ihrem auf den Showdown zusteuernden Plot: Nichts davon ist – gerade auch im Rahmen des Systems von Fantasy und Horror – glaubwürdig. Nichts regt zum Gruseln an, sondern allenfalls irgendwann zum Schmunzeln, was der Serie mehr schadet als ein zunehmendes Gelangweiltsein. Letzteres stellt sich dennoch ein und zwar in steigerndem Maße mit jedem Mord an den Erwachsenen, die ihre metaphorischen wie auch echten Leichen im Garten oder sonstwo verstecken. Bleibt die Frage, was mit den Techniken des Horrors ist, deren sich die Serie bedient: Schweigen wir dazu besser. Und auch zum Rattenfänger selbst – kein Wort.

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