Tödliche Grenzerfahrungen
Der schwedische Thriller-Schriftsteller Hans Rosenfeld ist als Teil eines Autorenduos bekannt, hat mit erfolgreichen TV-Serien seinen Stil gefunden – und verändert jetzt mit einer neuen Romanreihe ein ganzes Genre …
Vier tote Finnen, drei tote Russen: Hans Rosenfeldt beginnt seine neue Serie gleich mit einem Massaker. Schüsse aus dem Hinterhalt vereiteln einen Drogendeal in Finnland, die Amphetamine und zwei Taschen mit 300 000 Euro werden von Unbekannten gestohlen, die nach der Tat Richtung Schweden fliehen. Als man in der Nähe der nordschwedischen Grenzstadt Haparanda eine vergiftete Wölfin findet, entdeckt die Polizei menschliches Gewebe in ihrem Magen. Mithilfe eines Chips kann die Route der Wölfin zurückverfolgt werden, und man entdeckt den Rest der männlichen Leiche. Durch die Zusammenarbeit mit einem finnischen Kollegen erfährt die schwedische Polizistin Hannah Wester von dem Massaker. Der Tote muss einer der flüchtigen Attentäter sein. Doch auf der Suche nach seinem Komplizen, dem Geld und den Drogen ist neben Hannah und ihrem Team auch eine russische Profikillerin, die ein mafiöser Oligarch nach Haparanda geschickt hat. Ein folgenschwerer Wettlauf beginnt, der tödliche Folgen hat …
Hans Rosenfeldts schwedisch-dänische Serie „Die Brücke – Transit in den Tod“ setzt neue Standards für den Nordic-Noir
Hans Rosenfeldt verabschiedet sich von der Figur des ruppig-verschrobenen Stockholmer Kriminalpsychologen Sebastian Bergmann, die er zusammen mit seinem Autorenkollegen Michael Hjorth in sechs Bestsellern entwickelt hat. Zwischenzeitlich hat sich Rosenfeldt auch als erfolgreicher Drehbuchautor profiliert: Seine schwedisch-dänische Serie „Die Brücke – Transit in den Tod“ setzt neue Standards für den Nordic-Noir und verführt über alle Landesgrenzen hinweg zum Binge Watching. Zudem geht sein cleveres britisches Polizeidrama „Marcella“ bei Netflix erfolgreich in die dritte Staffel. Kennzeichnend für beide Serien sind komplexe Frauenfiguren, die durch Schicksalsschläge zurückgeworfen werden, doch gegen alle Widerstände ihre Identität behaupten. Von ihnen ausgehend entwickelt Rosenfeldt Plots, die ungewöhnliche Haken schlagen und sich von den eingefahrenen Erzählmustern des europäischen Noirs lösen.
Folgerichtig setzt Rosenfeldt auch in seiner neuen Romanserie auf dieses Konzept und stellt vielschichtige Frauenfiguren in den Vordergrund. Hannah Webster erscheint auf dem ersten Blick nicht gerade spektakulär: Die Polizistin hat zwei erwachsene Kinder, Hitzewallungen, einen Mann, der sich von ihr entfremdet hat und eine Affäre mit ihrem knackigen Vorgesetzten. Doch sie belastet ein Trauma: Vor 26 Jahren verschwand ihre damals zweijährige Tochter Elin spurlos. Hannah gibt sich selbst die Schuld und ist davon besessen, sie lebend wiederzufinden. Neben dieser Suche und dem aktuellen Fall kämpft sie gleichzeitig darum, nicht auch noch ihren Mann zu verlieren, denn dessen Abkehr erscheint ihr sonderbar. Zum anderen lässt uns Hans Rosenfeldt auch mit der Killerin Katja mitfiebern. Sie wird von Kindesbeinen an in einer russischen „Akademie“ zur eiskalten Tötungsmaschine gedrillt, und bei ihren Einsätzen wird sie von ihrem zwielichtigen Vorgesetzten „Onkel“ geführt. Katja wechselt ihren Namen genauso oft wie ihre Tötungsmethoden. Problemlos nimmt sie es mit mehreren Gegnern gleichzeitig auf – zur Not auch mit einem beherzten Biss in die Halsschlagader. Die Drogen und das Geld wieder aufzuspüren ist jedoch selbst für Katja nicht problemlos: In dem verschlafenden Städtchen trifft sie unerwartet auf Gegenspieler, die sie fatal unterschätzt …
Neben der Thrillerhandlung und der für den Nordic Noir so typischen Gesellschaftskritik entwickelt Rosenfeldt auch eine moderne Form des Unterhaltungsromans
Welche Plot-Twists sich Rosenfeldt für seine Serie noch einfallen lassen wird, bleibt spannend. Im ersten Band legt er Spuren, platziert Cliffhanger und lässt Raum für die Verbindungen und weitere Entwicklungen der (überlebenden) Charaktere. Dass er klischeebefreit erzählen und den nordischen Krimi weiterentwickeln kann, hat er schon mit seinen Fernsehserien klargemacht. Die spielten in Großstädten und zeigen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht mehr gerechtfertigt werden müssen und Menschen unterschiedlicher Hautfarbe keine Hierarchien versinnbildlichen. Davon ist man im Provinzkaff Haparanda natürlich weit entfernt. Wirtschaftlich scheint nur die weltweit nördlichste Ikea-Filiale relevant zu sein, Mückenspray ist wichtiger als Deo, und wenn man was mit Drogen dazuverdienen kann, probiert man es eben aus. Rosenfeldt legt mit kleinen Alltagsereignissen die Identität der Kleinstadt frei und schafft einfühlsame Menschenporträts. So entwickelt er neben der Thrillerhandlung und der für den Nordic Noir so typischen Gesellschaftskritik auch eine moderne Form des Unterhaltungsromans. Von einem typischen Element aller Schwedenkrimis lässt aber selbst Rosenfeldt nicht ab: Polizisten mampfen weiterhin genüßlich ihre Zimtschnecken …