HMLTD: West of Eden
Für viele Künstler*innen bedeutet ein Major-Vertrag die Erfüllung eines Traumes, doch für HMLTD verkehrte sich der Deal in das Gegenteil. Jetzt kommen sie mit ihrem Indiedebüt zurück.
Kaum hatte sich die Londoner Band im Jahr 2015 gegründet, war auch schon der Hype da – doch seitdem mussten HMLTD ordentlich Federn lassen, und die Aufgabe des ursprünglichen Bandnamens Happy Meal Ltd. aus Angst vor Rechtsstreitigkeiten war da das vermutlich noch geringste Problem. Wie rechtfertigt man einen Vertrag mit dem Labelriesen Sony, wenn man doch gleichzeitig in seinen Songs die Dekadenz des westlichen Kapitalismus verdammt? Zumal das Marketingkonzept des Majors in Sachen Glaubwürdigkeit noch weitere Fragen aufgeworfen hat: Heterosexuelle Männer bedienen sich an einer queeren Ästhetik inklusive Cross-Dressing, Make-up und extravaganter Bühnenshow.
Inzwischen sind HMLTD bei der Sony raus, und über das Indielabel Lucky Number veröffentlicht die zum Quintett geschrumpfte Band nun ein Debütalbum, mit dem sie nicht nur scharfe Kapitalismuskritik üben, sondern auch neue Formen von Männlichkeit diskutieren. Tatsächlich überzeugen die bildgewaltigen und anspielungsreichen Texte von Sänger Henry Spychalski, doch vor allem ist „West of Eden“ ein wilder Genreritt: „Loaded“ klingt wie ein Hit, den sich Chris Corner für IAMX immer gewünscht hat, bei „Satan, Luella & I“ müssen eher Nick Cave und David Bowie als Referenzen herangezogen werden, und während „To the Door“ angepunkten Country etabliert, jongliert „Why?“ mit J-Pop. So kann man dem Hype schon glauben. cs