„Honey“ von Caribou: Honigkuchenhirsch
Auf seinem sechsten Album als Caribou verschreibt sich Dan Snaith ganz der Tanzbarkeit – bleibt aber viel zu klug für jeglichen Stumpfsinn.
Kopf aus, Arsch an: Womöglich würde Dan Snaith nicht unbedingt diese Worte wählen, um das Konzept seines neuen Albums zu beschreiben. Doch eigentlich fassen sie alles gut zusammen. Denn „Honey“ ist dezidiert kein Denkalbum, reflektiert nichts, will nur zum Tanzen bringen. „Suddenly“, Snaiths letztes Album als Caribou, hat sich noch mit erwachsenen Themen wie Sterblichkeit auseinandergesetzt – es ist eine Platte, der man anhört, dass sie jemand in seinen Vierzigern gemacht hat, sagt er selbst. „Honey“ ist der Gegenentwurf – was auch ein Grund dafür ist, warum Snaith eigentlich nur ungern darüber redet.
„Es hat sich nicht so angefühlt, als wäre es ehrlich oder sinnvoll gewesen, ein autobiografisches Narrativ daran zu binden“, sagt der Kanadier. „Es ging um eine wirklich jugendliche Explosion von Enthusiasmus.“ So sollte die Musik auf „Honey“ vier einfache Kriterien erfüllen, konkret: „spaßig und prägnant und poppig und tanzbar“ sein. Das hat auf jeden Fall geklappt. Aber was simpel klingt, muss deshalb noch lange nicht einfach gewesen sein. Vor allem für einen wie Dan Snaith, der sich letztlich immer einen Kopf macht – auch, wenn er gar nicht will.
Und so gibt es auf „Honey“ trotzdem eine ganze Menge zu entdecken. Oberflächlich betrachtet mag das Album für Snaith auch ein Versuch sein, zu seinen Wurzeln zurückzukehren – am eindeutigsten macht das der Track „Volume“, der auf dem MARRS-Klassiker „Pump up the Volume“ aus dem Jahr 1987 basiert. „Es ist buchstäblich das erste elektronische Stück, dass ich je gehört habe“, sagt Snaith. „Ich habe beinahe keine früheren musikalischen Erinnerungen, die in irgendeiner Weise relevant für mein Musikerdasein sind.“ Und doch ist „Volume“, wie er selbst zugibt, weit mehr als nur Nostalgie, sondern spielt mit Rhythmen und Harmonien herum – und holt den Klassiker so subtil ins 21. Jahrhundert.
Ein anderes Beispiel: Viele der Gesangsschnipsel, darunter auch die Titelzeile der Single „Broke my Heart“, klingen nach Samples – sind aber in Wahrheit Snaiths eigene Stimme, mit KI verfremdet. Für den Musiker ein weiterer Weg, seine Persönlichkeit aus dem Album rauszuhalten – zugleich ist der Einfall in seiner Kreativität aber eben auch typisch Caribou. Oder vielleicht eher Daphni, Snaiths Nebenprojekt, das nicht einer Hirschart benannt ist. Denn dass „Honey“die Grenzen verwischt, ist ihm selbst ebenfalls aufgefallen: „Das hier klingt nach Daphni, das hier nach Caribou. Mir ist das mittlerweile alles egal.“
War es aber nicht immer, und so ist „Honey“ trotz allem genauso das Album eines Mittvierzigers wie sein Vorgänger. Denn die Sicherheit, die es braucht, um einfach nur Spaß zu haben, hat sich Snaith erst mit den Jahren erkämpft. „Als ich angefangen habe, dachte ich: Oh, ich muss richtig gute Musik machen, sodass die Leute wissen, dass ich gut darin bin“, erklärt er. „So fühle ich mich jetzt gar nicht mehr.“ Ein Glück für seine Fans, vor allem, wenn sie Lust zum Tanzen haben: Für seine anstehende Tournee verspricht Snaith „Banger von Anfang bis Ende“. So könnte man „Honey“ auch zusammenfassen.