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Hundreds: Die Zeiten ändern dich

Hundreds-Sängerin Eva Milner
Hundreds-Sängerin Eva Milner (Foto: Konrad Schmidt)

„Es hat einfach gereicht“, begründet Sängerin Eva Milner den Entschluss, mit dem Elektropop der Hundreds auf dem neuen Album „The Current“ mehr Farbe zu bekennen.

Eva, gleich der Opener des neuen Albums macht deutlich, dass sich etwas Entscheidendes bei Hundreds geändert hat. In „Vessel in the Sky“ singst du: „Dark times are over now/we scared them off/and it all begins.“

Eva Milner: Beim letzten Album „Wilderness“ habe ich eher abgebildet, was aus meiner Sicht mit der Welt los ist. Die Platte beschreibt, wie schrecklich alles ist – und es wird ja auch immer schrecklicher. Trotzdem ist „The Current“ eher eine empowernde Platte. Es geht darum, seine Stimme zu erheben und dem Ganzen etwas Positives entgegenzusetzen.

Wie ist es zu diesem Umschwung gekommen?

Milner: Ich glaube, es hat einfach gereicht. „Wilderness“ war eine schwierige Zeit. Wir hatten beide Bock, uns ein bisschen davon zu entfernen – nur wussten wir am Anfang nicht, in welche Richtung es gehen sollte. Also haben Philipp und ich zum allerersten Mal den ganzen Schreibprozess geöffnet und viel mit anderen gemacht. Das hat völlig andere Akzente gesetzt, auf die wir von allein nicht gekommen wären.

Wie etwa die Pophymne „Calling“, die mit diesem Bläsersatz ja fast schon einen Stadionmoment auffährt?

Milner: (lacht) Ich stehe voll dahinter, bin aber doch schon sehr gespannt, wie da die Reaktionen ausfallen werden. Angestoßen hat das Lucas Herweg, ein sehr junger Produzent, der ganz anders als Philipp arbeitet und jeden Tag einen Track raushaut. Das gibt es bei uns nicht. Bei uns ist vielleicht alle drei Monate mal etwas fertig.

 

Hat dieses Pop-Zugeständnis Überwindung gekostet?

Milner: Überwindung nicht, aber ein Augenzwinkern ist natürlich schon dabei. Textlich ist mir der Song extrem wichtig, da er einen einschneidenden Moment der letzten Jahre einfängt. Ich habe mich aus einer Situation befreit, von der ich lange Zeit gedacht habe, dass ich aus ihr nicht rauskomme.

Es geht auf dem Album um toxische Beziehungen und um feministische Solidarität. Der letzte Song kehrt schließlich wieder zum Ausgangspunkt zurück und fragt, ob das Aufbegehren gegen die Umstände durchzuhalten ist.

Milner: „You’re the Storm“ ist von einer Freundin inspiriert, die als Netzfeministin sehr aktiv ist. Ich bewundere sie dafür, wie klar und ehrlich sie ist und mit was für einer Kraft sie das betreibt. Sie bekommt auch so viel Hass ab, steht aber immer wieder auf. Ich selbst bin da meist nur Betrachter, weil ich diese Diskussionskultur zu krass finde.

Womöglich ist es auch viel wichtiger, diese Auseinandersetzungen nicht nur im Netz stattfinden zu lassen, wo sie allzu oft ins Leere laufen.

Milner: Nach der letzten Bundestagswahl habe ich mir vorgenommen, mich mehr zu engagieren. Ich bin in eine Partei eingetreten, mache aber leider zu wenig, weil ich ständig unterwegs bin. Immerhin habe ich zusammen mit einigen Freunden aus Würzburg ein offenes Café gegründet, das allen Bevölkerungsschichten offen steht.

„Ready shaking Silence“ ist ein sehr leidenschaftlicher Appell zum Aktivismus.

Milner: Es ist auf jeden Fall ein feministisches Stück. Vielen Frauen in meiner Generation geht es so, dass sie erst mit Ende 20 geschnallt haben, dass da etwas nicht richtig läuft. Der Song sagt: Hey, Schwestern, ich stehe für euch ein und bin kampfbereit. Ich würde zwar niemandem die Fresse polieren, aber ich bin in dieser Auseinandersetzung dabei.

Interview: Carsten Schrader

The Current ist gerade erschienen.

 

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