„Fünf Winter“ von James Kestrel
In „Fünf Winter“ lässt James Kestrel seinen Detective einen gnadenlosen Killer jagen – doch der hat die Weltgeschichte auf seiner Seite …
„Fünf Winter“ von James Kestrel ist unser Krimitipp der Woche.
45 Cent für drei Zentiliter Whiskey – mehr als ein Stundenlohn für Detective Joe McGrady. Seinen wohlverdienten Feierabend-Drink muss er jetzt auch noch runterstürzen, da Captain Beamer ihn zum Tatort eines grausigen Mordes schickt. Es ist Ende November 1941, und in einem Schuppen hängt kopfüber ein Mann an einem Fleischerhaken. Er und eine gefesselte Japanerin wurden brutal misshandelt und mit der rasiermesserscharfen Klinge eines Mark-1-Grabendolchs aufgeschlitzt, der im Krieg als Nahkampfwaffe eingesetzt wird. Noch in der Nähe blickt McGrady in das Mündungsfeuer einer Waffe, und bei der Schießerei klingeln ihm die Ohren. Er hat einen Mittäter überrascht, der sich gerade an die Spurenbeseitigung machen wollte. Doch McGrady zieht seine alte Armeepistole aus dem Hosenbund und durchlöchert nicht nur den Packard des Angreifers – für den Oldtimerfans heute sicher ein Heidengeld blechen würden.
Der Fall wird brisant: Die Opfer sind der 21-jährige Lieblingsneffe des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte und dessen unbekannte Freundin. Der unsympathische Beamer hält McGrady da lieber mal wieder an der kurzen Leine. Er stellt ihm Fred Ball zu Seite, der sich nach Vernehmungen immer erst die Faust mit Eiswürfeln kühlen muss. Ein weiterer Mord mit einem Grabendolch weist zu einem Verdächtigen mit dem Allerweltsnamen John Smith. Die Spur führt nach Hongkong. McGrady checkt in die nächste Pan-Am-Maschine, während der Weltkrieg bereits seine Pläne cancelt: Am Tag seiner Ankunft am 7. Dezember 1941 ist der Überfall auf Pearl Harbor, und Hongkong wird von den Japanern besetzt. McGrady landet im Knast. Neben fadem Reisbrei drohen ihm als potenzieller Spion viele Jahre Haft oder gar die vorsorgliche Exekution mit einem Schwert.
Doch auch ein McGrady hat mal Dusel. Nicht ohne Eigennutz befreit ihn der japanische Diplomat Takahashi Kansei, und so gelangt unser Hardboiled-Held nach Japan. Na, „Domo arigato“! Der Diplomat scheint ein persönliches Interesse daran zu haben, dass McGrady irgendwann die Ermittlungen weiterführen kann. Kansei und seine Tochter Sachi verstecken den offiziell als tot geltenden McGrady in Tokio. Hier muss er sich als Deutscher tarnen, obwohl sich seine Vokabelkenntnisse gerade mal auf „Mein Führer“ beschränken. Aus den geplanten fünf Tagen Auslandsmission werden Jahre der Ungewissheit. Ob er jemals seine Freundin Molly lebend wiedersehen wird?
Das Hardboiled-Epos „Fünf Winter“ von James Kestrel ist zugleich Agententhriller, Kriegsepos und Lovestory
Autor James Kestrel treibt mit den Weltkriegsereignissen seine Geschichte souverän nach vorn. Die Kapitulation Japans erweist sich für McGrady als Hoffnungsschimmer: Ja, er wird in die USA zurückkehren können. Doch vieles hat sich verändert, und nicht nur seinen Job ist er los. Als Privatdetektiv nimmt er die erkaltete Spur wieder auf, um zusammen mit seinem ehemaligen Buddy Fred den Täter endlich zu stellen.
Agententhriller, Kriegsepos und Lovestory – James Kestrel muss nicht durchweg die Kanonen knallen lassen, um mit seinem flott und fintenreich geplotteten Hardboiled-Epos zu überzeugen. Zwischen den Whiskeys passiert da mehr, als dass sich nur die Eiswürfel verflüchtigen. Für McGrady wird es am Ende noch mal so richtig heiß. Und ach, auch wir Lesende schmelzen dahin …
Mit „Fünf Winter“ hat es James Kestrel auf unsere Liste der besten Krimis im März 2023 geschafft.