Jami Attenberg: Nicht mein Ding
Während „Nicht mein Ding“ von Jami Attenberg zunächst wie die Alltagsbeschreibung einer New Yorker Singlefrau anmutet, entpuppt sich der Roman nach und nach als ein sehr vielschichtiger und tiefgehender Familienroman.
Es ist wohl doch noch leider so, dass man sich als kinderlose Singlefrau ständig rechtfertigen muss – auch in New York. Andrea Bern ist 39, sie hat ein winziges Apartment in Brooklyn, ein abgebrochenes Kunststudium und einen Agenturjob. Und sie weiß genau, was sie nicht will: Kinder und Familie. Doch es sind nicht nur die Freundinnen, irgendwelche Typen, ihre Mutter und der Rest der Familie, die sie ständig auf die vermeintliche Leere in ihrem Leben ansprechen, auch vor sich selbst muss sie sich für die wechselnden, sich teilweise überschneidenden Affären, die Clubbesuche, den Alkohol und die anderen Drogen rechtfertigen: „Und es gibt Männer, in deinem Bett, in deiner Welt, irgendwie, doch dir ist weniger an ihnen gelegen als vielmehr daran, jene Stimme in deinem Kopf zu dämpfen, die dir sagt, dass du nicht das Geringste mit deinem Leben anfängst, dass du ein Kind bist, dass die Insignien des Erwachsenseins nur Verarsche sind, dass sie einen Dreck bedeuten und du zwischen allen Stühlen sitzt und immer sitzen wirst, es sei denn, etwas zwingt dich zur Veränderung.“
Jami Attenberg präsentiert eine unbequeme, kompromisslose und eben auch sehr verletzliche Heldin
Mit Andrea Bern präsentiert Jami Attenberg in „Nicht mein Ding“ eine unbequeme, kompromisslose und eben auch sehr verletzliche Heldin. Die 49-jährige US-Autorin erzählt den Roman nicht chronologisch, sondern in Schlaufen, so dass sich erst nach und nach die genauen Lebensumstände ihrer Protagonistin zusammensetzen. Und Attenberg gilt nicht zuletzt dank „Die Middlesteins“ als Meisterin des Familienromans: Während „Nicht mein Ding“ zunächst wie die Alltagsbeschreibung einer New Yorker Singlefrau anmutet, entpuppt sich der Roman nach und nach als ein sehr vielschichtiger und tiefgehender Familienroman. Da ist die Mutter, deren Leben durch Armut und Andreas schwer drogenabhängigen Vater geprägt wurde, Da ist der Musiker-Bruder, der schließlich eine Musikjournalistin heiratet und als Vater eines schwer kranken Tochter aufs Land zieht. So sehr Andrea auch von ihrer Familie genervt ist, ist sie doch auf deren Nähe angewiesen. Am Ende ist „Nicht mein Ding“ auch ein Entwicklungsroman – was aber natürlich auf keinen Fall heißt, dass Andrea ihre Ablehnung von Familie und Kindern aufgibt. cs
Jami Attenberg Nicht mein Ding
Schöffling, 2020, 224 S., 22 Euro
Aus d. Engl. v. Barbara Christ