Jannis Niewöhner über „Je suis Karl“
Die Hauptfigur im Politthriller „Je suis Karl“ ist böse und doch magnetisch, konkret und doch ein Enigma. Schauspieler Jannis Niewöhner im Interview.
Jannis Niewöhner spielt in Christian Schwochows „Je suis Karl“ die Hauptrolle – einen attraktiven, charismatischen jungen Mann, der eine neurechte Bewegung anführt. Nach einem Schicksalsschlag verliebt sich die junge Maxi (Luna Wedler) in ihn. Doch Karls Pläne für Europa sind brutal und menschenverachtend. Wie spielt man eine solche Rolle? Wir haben mit Niewöhner gesprochen.
Jannis, in „Je suis Karl“ wird eine junge, traumatisierte Frau von einem charismatischen jungen Rechten verführt. Was macht diese Geschichte so brisant für unsere aktuelle Zeit?
Jannis Niewöhner: Der Film ist wahnsinnig wichtig, weil er zeigt, wie viel außer den rechten Parteien, die wir sehen, noch passiert. Die Rechten haben in den letzten Jahren gelernt, ihr Erscheinungsbild neu zu inszenieren, sich einen freundlichen Anschein zu geben. Rechtsextremismus ist noch genauso brutal wie früher, aber die Wege dorthin sind besser versteckt.
Was hast du selbst beim Drehen über dieses Thema gelernt?
Niewöhner: Ich wusste vorher nicht, wie groß diese Bewegungen sind, wie klug, wie kreativ. Das habe ich erst durch das Drehbuch und die Recherche richtig bemerkt. Es gibt ja viel Literatur über und auch von der Neuen Rechten. Da sieht man, wie einfallsreich die sich mittlerweile präsentiert. Sie sind auch extrem gut vernetzt, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Das war schon schockierend.
Deine Figur, Karl, ist einer dieser Neuen Rechten: ein böser, zugleich aber sehr charismatischer Mensch. Wie spielt man so eine Rolle?
Niewöhner: Die Aufgabe ist immer, eine Figur, die man selber spielt, nicht wertend zu betrachten. Für mich war es wichtig, Karl auch als kleines Kind sehen zu können, das letztendlich einen großen Schrei nach Liebe schreit, der es allerdings ein böses Ziel verfolgen lässt. Ich liebe an der Schauspielerei die Möglichkeit, andere Perspektiven einzunehmen, sich zu fragen, warum Menschen das tun, was sie tun. Das will der Film ja auch: nicht einfach nur zeigen und erzählen, sondern auch versuchen, zu verstehen.
Über Maxi, die junge Frau, die in Karls Fänge gerät, erfahren wir sehr viel. Karls eigene Vergangenheit bleibt ein Rätsel. Hast du dir selbst eine Hintergrundgeschichte überlegt?
Niewöhner: Wir haben eine klare Idee davon, was Karl passiert ist. Uns war aber auch klar, dass wir davon im Film nichts erzählen wollen, weil er eben ein Charakter bleiben soll, den man nicht greifen kann, bei dem man nicht weiß, wann er lügt oder die Wahrheit sagt, was er wirklich fühlt. Denn Menschen wie Karl sind ja wirklich ungreifbar, sie sind so gefährlich, weil sie unberechenbar sind. Deshalb möchte ich auch nichts Konkreteres dazu sagen, damit sich alle ihre eigenen Gedanken machen können.
Karl ist ein sehr eloquenter Redner, der auch Vorträge auf Englisch und Französisch hält. Wie leicht ist es dir gefallen, das überzeugend zu spielen?
Niewöhner: Ich musste meinen Text teilweise phonetisch lernen, denn ich kann kein Französisch. Das war keine ganz einfache Aufgabe. Und die Rede, die ich auf Französisch gehalten habe, habe ich vor 400 tschechischen Komparsen gehalten, die alle nicht verstanden haben, was ich gesagt habe. (lacht) Aber durch solche Herausforderungen lernt man am meisten. Insbesondere beim Englisch bin ich gerade sehr hinterher.
Gibt es einen Moment vom Dreh, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Niewöhner: Es gibt tatsächlich sehr viele. Eigentlich ist kein Tag vergangen, der einen unberührt gelassen hat. Besonders stark war etwa die Szene im Club, wo dieser rechte Rapsong gespielt wird. Wir haben absichtlich keinen klassischen Nazirock genommen, sondern die Art von coolem HipHop, den junge Leute heute tatsächlich hören. Die Energie der Musik hat uns vereinnahmt. Es war ein bisschen eklig, zu merken, wie die Masse trotz allem dabei mitgeht – und man selber auch.
Hier geht es zu unserem Interview mit Regisseur Christian Schwochow.