„Kafka“: Die Einheit von Komik, Liebe und Horror in der ARD
In der ARD-Mediathek und in der ARD läuft die Serie „Kafka“ von David Schalko: In einem wunderbareren Mix aus Komik und Tragik und mit einem Starensemble wird das Leben des früh verstorbenen Schrifstellers Franz Kafka erzählt.
Mit der Serie „Kafka“ ist Regisseur David Schalko ein Meisterwerk gelungen. Nicht weniger beteiligt daran waren Daniel Kehlmann als Drehbuchautor und das Starensemble vor der Kamera.
„Kafka“: Das Werk des Dreamteams Schalko-Kehlmann
Franz Kafkas 100. Todestag: Das Jubiläum wirkt sich nicht nur im Kino aus – dort läuft seit einer Woche der Film „Die Herrlichkeit des Lebens“ –, sondern auch aufs Fernsehen. Die ARD ließ mit der Serie „Kafka“ (ab sofort in der ARD-Mediathek, am 26 + 27. . 3., mit je drei Folgen am Stück im Ersten) Regisseur David Schalko (Interview zur Serie „Ich und die anderen“) ran, das Drehbuch kommt von Daniel Kehlmann („Lichtspiel“) nach der Kafka-Biografie von Rainer Stach. So solide also die Faktengrundlage ist, so kafkaesk-skurril hat David Schalko das Material verfilmt, und das in Starbesetzung: Joel Basman spielt Franz Kafka, Nicholas Ofczarek seinen ihn im Geiste immer wieder heimsuchenden Vater. David Kross mimt Kafkas Freund und Protegé Max Brod, die tschechische Übersetzerin und für kurze Zeit fast schon Kafkas Geliebte Milena Jesenská wird von Liv Lisa Fries gespielt. Vorher schon ist Lia von Blarer Kafkas Verlobte Felice Bauer, und Charly Hübner gibt den von Literatur nichts verstehenden Verleger Rowohlt, außerdem sind Robert Stadlober, Lars Eidinger, Christian Friedel, Katharina Thalbach und Marie-Lou Sellem dabei – und das sind noch lange nicht alle.
Einheit von Ästhetik und Aussage
Man kann mit einem solchen Starensemble einiges versauen. Nicht so David Schalko. Jede Folge der Miniserie ist ein nahezu abgeschlossenes Kapitel mit klarer eigener Ästhetik. Mal dominieren skurrile Situationen, Gespräche oder Wortbeiträge von Frankz Kafka, um die Serie zu einem Mekka der Komik für Feingeister zu machen. Mal – Beispiel Folge 5 mit Liv Lisa Fries als Milena Jesenská und Kafka bei einem langen Spaziergang im Wienerwald – ist die Serie voller Herzenswärme. Die langsame Annäherung der beiden mit Hilfe eines Gesprächs, das immer stärker die fragile Möglichkeit in den Mittelpunkt rückt, zärtlich zueinander zu sein, ist umwerfend: Milenas zärtliche Annäherungen und Franz Kafkas ebenso zärtliche Verweigerung spiegeln sich im Gespräch, in dem Kafka – wie immer, so auch hier – höflich, charmant, aber in der Sache sich verweigernd redet und redet und redet, bis Jelena eine leichte, ganz leichte Form von Wut entwickelt. Joel Basman und Liv Lisa Fries beweisen hier allerhöchste Schauspielerqualitäten.
David Schalko inszeniert Kafkas Wohnumfeld immer wieder gerne als Anmutung einer Zelle, um bildlich zu zeigen, wie stark der herrschsüchtige und schnell jähzorige Vater seinem Sohn das Leben zur Hölle macht.
Obwohl die Serie sehr viel Tragisches transportieren muss, atmet sie die Leichtigkeit des Humors, wo immer dies nötig ist. Ganz oft setzen Kehlmann und Schalko Kafkas Originaltexte aus Erzählungen und Romanen ein, was aber auch einfach ist: Die Texte sind aus den Erlebnissen des Autors entstanden, wurden von ihm in neue Kontexte gesteckt und waren zur damaligen Zeiten in ihrer erschreckenden Drastik so etwas wie lostvoll genossener Horror. Dadurch hebt sich die Serie selbst auf eine Art Metaebene, man hat den Eindruck, dass Kafka selbst seine Geschichte im typischen Kafka-Sound erzählt, der ihn damals schon berühmt machte. Und weil zwischen den 1910er und 1920er Jahren in Prag fast jeder schrieb und Kafka bereits anerkannt war, bekam der Titelheld ständig Gedichte und Kurzgeschichten zur kritischen Prüfung zugesteckt: vom Chef der Versicherungsanstalt bis hin zum Pförtner. Kafkas Geschichte ist aus heutiger Sicht eine äußerst skurrile Geschichte, die in skurrilen Zeiten spielte – zumindest wenn Kafka dabei war.