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„Kampf um den Halbmond 2“: Feminismus an der Waffe

Anna hat das Mädchen Nisrin vor dem IS gerettet und bringt ihr den Umgang mit Waffen bei. Staffel 2 der Serie „Kampf um den Halbmond“ startet jetzt bei Arte.
Anna hat das Mädchen Nisrin vor dem IS gerettet und bringt ihr den Umgang mit Waffen bei. Staffel 2 der Serie „Kampf um den Halbmond“ startet jetzt bei Arte. (Foto: © Sifeddine El Amine)

Bei Arte und in der Arte-Mediathek läuft erstmals Staffel 2 der Serie „Kampf um den Halbmond“. Auch die erste Staffel kann gestreamt werden.

Vor Jahresfrist startete auf Arte die erste Staffel der Serie „Kampf um den Halbmond“. Hulu in den USA und Arte Frankreich hatten sie bereits 2020 ausgestrahlt, produziert wurde die Serie seit 2017. Das die zweite Staffel erst 2024 fertig wurde und jetzt erstmals bei Arte und in der Mediathek in Deutschland zu sehen ist, hat einerseits zur Folge, dass die Handlung vom Sturz Assads im Dezember überholt worden ist, andererseits ist das auch egal, denn „Kampf um den Halbmond“ hat eine Aussage ganz unabhängig davon.

Die Serie „Kampf um den Halbmond“, im Original „No Man’s Land“, spielt in Syrien. Amit Cohen und Maria Feldman (beide „Suspicion“, „False Flag“), Ron Leshem („Feuer. Israel und der 7. Oktober“) und Eitan Mansuri („Echo 3“) zeichnen für das Drehbuch verantwortlich, Regie führte Rotem Shamir („Geiseln“). Ihr Ziel ist es mit der Serie, grundlegende Konflikte in der Region strukturell zu beleuchten. Dass sie dies tun und dabei noch ein berührendes Drama mit starken Charakteren schaffen, ist eine Meisterleistung. Im Mittelpunkt der Serie stehen die kämpfenden Frauen der YPG, die von der Türkei als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Die YPG ist der bewaffnete Arm der kurdisch-syrischen Partei der Demokratischen Union (PYD), die den Syrischen Demokratischen Kräften angehört. Suee hat bis ins Jahr 2024 in Nordsyrien gegen den IS gekämpft hat. Ihr Fokus lag dabei auf der Befreiung der vom IS als Sexsklavinnen gefangenen Frauen. Der IS hat diese Frauen in der gesamten Region verkauft und so Einnahmen generiert. Die YPG, die sich als feministische Kampforganisation versteht, gehörte lange als eine der gefährlichsten Einheiten, die gegen den IS kämpfte. Der IS wiederum mobilisierte seine Kämpfer mit dem Spruch, wonach niemand in den Himmel komme, der von einer Frau getötet werde.

Zur Handlung der hauptsächlich in Marokko gedrehten zweiten Staffel: YPG-Kämpferin Anna (Mélanie Thierry, „In Therapie“, „Da 5 Bloods“) ist auf eigene Faust für den israelischen Geheimdienst unterwegs, als sie mit Nisrin ein kleines Mädchen befreit, das gerade erst gefangen genommen wurde und als Sex-Sklavin auf den Markt kommen soll. Als sie deshalb flächendeckend vom IS verfolgt wird, sucht sie telefonisch Hilfe bei Nasser, selbst Mossadagent, aber auf dem Absprung, sowie Paul. Beide aber wollen sie in eine Falle locken. Währenddessen übernimmt die wiedergenesene Sarya (Souheila Yacoub, „Dune: Part Two“, „Balconettes“) wieder Verantwortung in der Frauenmiliz. Auf einer zweiten Handlungsebene erkennt die US-Amerikanerin Ellie aus Texas in einem Bekennervideo des IS ihren früheren Freund wieder und nimmt Kontakt zu ihm auf. Schon bald befindet sie sich im Flugzeug in den Irak, von wo aus sie nach Syrien einreisen und Jake wiedertreffen will. Allerdings hat sich das FBI an Ellie drangehängt und will Jake unbedingt verhaften, der inzwischen für die Finanzen des IS verantwortlich ist.

Die zweite Staffel der Serie „Kampf um den Halbmond“ läuft bei Arte und kann in der Arte-Mediathek gestreamt werden.
Sarya (Souheila Yacoub) wartet auf den richtigen Moment, um ihren gefährlichen Plan umzusetzen. Die zweite Staffel der Serie „Kampf um den Halbmond“ läuft bei Arte und kann in der Arte-Mediathek gestreamt werden. Foto: © Sifeddine El Amine Foto: ARTE F

Über diese Handlungsebene legen die Macherinnen und Macher der Serie so ganz nebenbei die Strukturen in Syrien: Wie die Frauenmiliz funktioniert, wie sie junge Mädchen rekrutiert und zu selbstbewussten Frauen heranzieht und an der Waffe ausbildet. Auf der anderen Seite werden die Finanzierungswege des IS nicht nur über den Verkauf von Sexsklavinnen, sondern vor allem über den Ölhandel aufgezeigt. Besonders deutlich zeigt „Kampf um den Halbmond“, wie viele Menschen aus Europa und den USA auf beiden Seiten kämpfen. Menschen, die mit ihren Lebensentwürfen brechen und zur Waffe greifen in einem Land, mit dem sie im Grunde nichts zu tun haben, die aber entweder selbst eine ideologische Agenda verfolgen oder gegen eine andere ideologische Agenda kämpfen wollen. Das soll hier genauso wertneutral geschildert werden, wie die Serie die Information einbaut. „Kampf um den Halbmond“ macht kein Individuum nieder, nur weil es auf der falschen Seite kämpft, sondern versucht so plausibel wie möglich die Beweggründ aufzuzeigen und innere Zerrissenheit der Menschen zu skizzieren. Vor allem Ron Lesehem, israelischer Schriftsteller, in die USA ausgewandert, früherer Gemeindienstler in Israel, später Journalist in Gaza und inzwischen in das Fiktionale „geflohen“, steht als Autor für das detailgenaue psychologische Eintauchen in die Charaktere mit all ihren Facetten, was man dieser Serie deutlich anmerkt.

Seit dem Sturz Assads in Syrien und der massiven Schwächung des IS hängt die Unterstützung von der YPG und der SDF durch Israel und die USA aus mehreren Gründen in der Luft, die YPG übergibt freiwillig früher eroberte Städte und Regionen an die neue Regierung. Gleichzeit ist absolut noch nicht ersichtlich, in welche Richtung sich der von Assad befreite Staat entwickeln wird. Wahrscheinlich steckt da noch mehr Stoff für Serien drin – leider.

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