Underground ist Chef: „King Size Dub – Hamburg“ mit Udo Lindenberg, Jan Delay und DJ Koze

Seit 30 Jahren ist die Nische sein Zuhause. Mit „King Size Dub – Hamburg“ versammelt Label-Chef Nicolai Beverungen (Foto) nun das Who’s Who aus Hamburg auf einem Sampler.
Nicolai, der „King Size Dub – Hamburg“-Sampler markiert gleichzeitig das 30-jährige Jubiläum deines Hamburger Dub-Labels Echo Beach. Was macht diese Zahl mit dir?
Nicolai Beverungen: Nichts, es fühlt sich an wie am ersten Tag. Ich hab immer nur gemacht, getan und agiert. Morgen gehe ich jedenfalls noch nicht in Rente. (lacht)
Wie war denn das Gefühl vor 30 Jahren?
Beverungen: Ich war Angestellter bei Energie für Alle, Deutschlands größtem, von Ton Steine Scherben gegründeten Independent-Musikvertrieb, und hatte Probleme mit der Geschäftsführung. Also wurde ich gezwungen, mich selbstständig zu machen – mal so formuliert. Zu der Zeit war ich in London, und in der Underground-Bahn ist mir dann die Idee gekommen, eine Compilation mit den besten Londoner und UK-Bands zu starten. Die damals entstandene Aufbruchstimmung hält bis heute an.
Und wie hast du die Entwicklung der Dub-Szene in den letzten 30 Jahren wahrgenommen?
Beverungen: Letztendlich gibt’s heute fast genauso viele Leute, die sich mit Dub beschäftigen, wie damals. Im Großen und Ganzen ist Dub ein Nischenprodukt. Da bestimmt die Leidenschaft. Irgendwo werden die fetten Boxentürme, die Soundsystems aufgebaut, und los geht’s. Der Sound ist allerdings oft immer noch sehr traditionell. Ich hatte hingegen nie wirkliche Ressentiments, andere Themen mit Dub zu vermischen. Von klassischer Musik bis zu William S. Burroughs, dem New Yorker Poeten, habe ich alles Mögliche in den Sound einfließen lassen.
Einen New Yorker Dub-Sampler hast du sogar auch schon veröffentlicht. Mit dem aktuellen Sampler kommst du nun jedoch ganz im Lokalen an: in Hamburg.
Beverungen: Ich bin in Hamburg geboren, und nach vielen internationalen Projekten in Neuseeland, USA und auch Brasilien hat eben Hamburg noch gefehlt. Zusammen mit dem Plattenladen Hanseplatte habe ich dann kurzerhand diesen Sampler realisiert.
Würdest du Hamburg denn als eine Dub-Stadt bezeichnen?
Beverungen: Was ist schon eine Dub-Stadt? Klar: Hamburg ist nicht London. Aufgrund der Zuwanderung aus Jamaika ist Dub in London natürlich viel schneller groß geworden. Aber dank Leuten wie dem großartigen Mattias Penselin alias Pensi ist der Sound dann auch in Hamburg publik geworden.
Der natürlich auch auf dem Sampler vertreten ist. Neben einem absoluten Best-of-Hamburg: Da wären Deichkind, Erobique, Heinz Strunk, Fettes Brot, Udo Lindenberg, Jan Delay und Die Goldenen Zitronen. Du scheinst ja die halbe Stadt auf Durchwahl zu haben.
Beverungen: Ich hab aber auch ein Jahr lang dran gearbeitet, alles zu organisieren. Wenn man 30 Jahre dabei ist, sammeln sich da ein paar Kontakte an. (lacht) Da führt dann ein Telefonat zum nächsten. Tatsächlich hätte ich gerne noch ’ne Dub-Version von „Ruf mich an“ gemacht, was aus rechtlichen Gründen nicht geklappt hat. Das ist ne tolle Nummer von Fettes Brot und James Last. Da sollte dann Matthias Arfmann ran, der Produzent von Jan Delay und den Beginnern.
Matthias Arfmann gehört zu den vielen gesichtsunbekannten Hintergrund-Legenden auf diesem Sampler. Ein Beweis dafür, dass Dub wirklich keinen Personenkult nötig hat.
Beverungen: Es geht nicht um Frontmänner, es geht um die Musik. Und die wird einfach im stillen Kämmerlein geschraubt.
Damit ist Dub immer auch Underground-Kultur. Die Elbphilharmonie wird auf dem Artwork wohl nicht zufällig zertreten.
Beverungen: Zertreten würde ich nicht sagen. Aber der Hummel-Mann stellt den Fuß auf die Elphi, um klarzumachen, wer hier der Chef ist – und das ist immer noch der Underground. Ohne uns könnte die Hochkultur gar nicht überleben. Die nehmen sich schließlich immer der Subkultur an. Und die Elphi hatte einen gefräßigen Schlund. Da sind Gelder drin verschwunden, die anderen auch ganz gut getan hätten.
Etwa den Hamburger Klubs.
Beverungen: Selbst in vielen Klubs würde das Ganze nicht funktionieren. Bei den Dub-Bässen fliegt dem Soundmann der Limiter auseinander. Die Nische findet aber immer ihren Weg.
Das Politische findet auf dem Sampler auch immer seinen Weg. Und dass der Sampler dann mit dem DJ-Koze-Dub eines Songs des inklusiven Bandprojekts Station 17 startet, ist wohl auch kein Zufall.
Beverungen: Inklusion hin oder her: Wir leben auf einer Welt, die bunt ist. Trotzdem war das natürlich eine bewusste Entscheidung. Der Song über den Hamburger Himmel ist aber auch einfach total schön. Damit sollte die Geschichte dann losgehen.
Und wo kann dich die Geschichte noch hinführen?
Beverungen: Wie es im Zen-Buddhismus heißt: Der Weg ist das Ziel. Mal sehen …