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Klez.e im Interview zu „Erregung“

Klez.e
Klez.e (Foto: Andreas Hornoff)

Kiez.e gelten als die deutsche Antwort auf The Cure – und tatsächlich sind die toupierten Haare von Sänger und Produzent Tobias Siebert eine ganz konkrete Botschaft an Robert Smith.

Tobias, stell dir vor, dein Telefon klingelt und Robert Smith ist dran. Er will dieses sagenumwobene Cure-Album, auf das die Welt seit Jahren wartet, nun endlich aufnehmen, und er fragt dich, ob du es produzierst. Machste, oder?

Tobias Siebert: Klar. Ich hatte vor 20 Jahren ja schon eine ganz ähnliche Situation, als mit Philipp Boa ein anderer Held meiner Jugend angerufen hat. Voller Ehrfurcht und Angst habe ich damals sofort ja gesagt – das würde ich an dieser Stelle natürlich auch machen. Insgeheim mache ich Klez.e ja nur, um auf mich aufmerksam zu machen. Ich toupiere mir sogar die Haare, damit er das endlich mal merkt und mich kontaktiert. Entweder ist er dann sauer, weil ich das alles so mitspiele. Oder er sagt: Ey, ich forsche seit Jahren, wie ich diesen Sound wieder zurückhole – aber ich bekomme es nicht hin. Können wir das zusammen machen?

Klez.e werden überall als deutsche Antwort auf The Cure bezeichnet, und ihr selbst kommuniziert das ja auch so. Wird dann nicht aber vielleicht schnell übersehen, dass ihr sehr viel seid als nur ein Zitat?

Siebert: Egal, ob Fans von The Cure oder von Klez.e, ich traue den Leuten schon zu, dass die das checken und es als eine weitere Reise sehen. Natürlich ist es ein riesengroßes Experiment, das auch immer noch total schiefgehen kann. Aber wir haben uns irgendwann so in Rage gespielt und dabei so viel gefühlt. The Cure und viele andere Wave-Bands meiner Jugend lösen in mir ein Gefühl aus, das mit einer großen Intensität und einem Sich-am-Leben-Spüren verbunden ist. Obwohl die Musik ja eigentlich so düster und so traurig ist, macht sie mit mir, dass ich meine Umgebung viel stärker wahrnehme und empfindsam bin. Wenn wir diese Musik heute machen, geht es darum, sich nicht nicht im Hamsterrad zu verlieren und ein Gefühl von Empathie am Leben zu erhalten – sich selbst und den anderen gegenüber.

Anders als The Cure ist vor allem euer neues Album „Erregung“ sehr explizit politisch.

Siebert: Mit Klez.e wollten wir eigentlich auch schon auf den ersten Alben politisch sein, haben es textlich aber nicht hinbekommen, das zu formulieren. Es war so verklausuliert, dass es die wenigsten verstanden haben. Auch der Bandname: Als wir 2002 angefangen haben, war das Internet noch relativ neu, und Kiez.e ist ja dieses Virus, ein Störenfried in dem neuen System. Wir wollten unbedingt diese politische Setzung, auch wenn ein Bandname, den so gut wie niemand ansprechen kann, natürlich auch selbstzerstörerisch ist.

„Kiez.e ist ja dieses Virus, ein Störenfried in dem neuen System“

Auf „Erregung“ beschreibst du die Gefühlslage unserer gewärtigen Polykrise, indem du den Verlust von Gemeinschaftssinn betrauerst oder auch in deine Jugend zurückgehst, um nach Kontinuitäten zu suchen. Überraschend konkret wird es in „Herbstherz“, wo sogar des Kanzlers „Zeitenwende“ auftaucht.

Siebert: Ich musste das einfach bringen, weil mich unsere Diskussionskultur so nervt, die dieses Popstarding vollkommen adaptiert. Wer best in shape ist und das cleverste Ding raushaut, der dominiert mit seiner Floskel in den folgenden Wochen die Schlagzeilen. Wir haben gerade so unfassbar viele Probleme – und das ist oft das einzige, was uns dazu einfällt.

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