„Konklave“: Bomben vor dem Vatikan, Beben im Inneren
Nach seinem brutalen Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ gibt es Neues bei Edward Berger. Sein Thriller „Konklave“ startet mit einem Staraufgebot in den Kinos.
Regisseur Edward Berger hat mit seinem Thriller „Konklave“ ein Kammerspiel voller Intrigen um die Macht gedreht, in dem selbst die Wahrheit nur als Weg zum Erfolg genutzt wird. Berger geht damit im Vergleich zu seinem Film „Im Westen nichts Neues“ filmisch einen ganz anderen Weg und bleibt ästhetisch dennoch ganz bei sich.
In seinem neuen Film „Konklave“ zeigt Edward Berger, wie ein neuer Papst gewählt wird. Der kammerspielartige Verhandlungsthriller steckt voller Geheimnisse, Intrigen und Erpressungen. Edward Berger, dessen schier unerträglicher Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ vor zwei Jahren im Kino lief, geht mit seinem neuen Film in den Vatikan – der Unterschied könnte kaum größer sein, mag man denken. Doch dann zeigt Berger mit unerbittlichem Blick: Die Maschinerie des Rituals nach dem Tod von Soldaten im Krieg ähnelt in ihren Automatismen fatal der Maschinerie des Rituals beim Tod eines Papstes. Jahrhunderte alte Traditionen – vom Herrichten der Leiche über die Gebete bis hin Abnahme des päpstlichen Siegelrings – werden umgesetzt, als hätten alle Teilnehmer die Abläufe seit Ewigkeiten als Routine im Kopf.
Das folgende Konklave, das Procedere zur Wahl des neuen Papstes, wird hingegen sofort vom Austarieren der Machtverhältnisse unter den wahlberechtigten Kardinälen bestimmt. Der zunehmend verzweifelte Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes, „The Menu“) ist als der Dekan des Kardinalskollegiums verantwortlich für den Ablauf der Wahlen – es wird so lange gewählt und verhandelt, bis ein Kardinal die Mehrheit des Kollegiums auf seiner Seite hat. Doch schon bald stellt sich heraus: Das wird keine einfache Aufgabe. Kardinal Bellini (Stanley Tucci, „Citadel“, „ The King’s Man: The Beginning“) ist aus dem Vatikan, Trembley (John Lithgow, „Killers of the Flower Moon“, „The Old Man“) kommt aus Montreal, der reaktionäre Tedesco (Sergio Castellitto) hat seinen Sitz in Venedig und Adeyemi aus Nigeria (Lucian Msamati) könnte der erste afrikanische Papst werden. Sie sind schon nach den ersten Wahlgängen die Favoriten – und die fortschrittlichen Kräfte suchen nach einem Weg, die Wahl des reaktionären Tedesco durch die Bildung von Allianzen zu verhindern. Das aber ist viel schwerer als gedacht.
Im Herzen der Finsternis
Doch während die einen mathematische Rechnungen für ihre Allianzen anstellen, beginnen auch schon die Intrigen. Der Vorwurf der Vaterschaft ist von allen Vorwürfen noch der harmloseste, doch die Zeiten sind nicht mehr wie früher. Progressive Kardinäle schießen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen konservative bis reaktionäre Vertreter, während letztere ihre eigenen Mittel besitzen, um den Gegner zu desavouieren: Man blickt ins Herz der Finsternis, als draußen Bomben hochgehen, die der Kirche gelten, vertiefend wird auf die Ursache dieser Attentate aber nicht eingegangen. Als dann auch noch die Schwesternschaft des Vatikans Teil einer Intrige wird, beginnt der „kriegerische“ Teil des Konklaves. Mittendrin: die Äbtin, gespielt von Isabella Rossellini („Cat Person“, „Domina“. Sie weiß mehr als alle anderen, aber wird vielleicht auch sie manipuliert? Ein Favorit ist weniger denn je auszumachen. Berger hat mit „Konklave“ einen spannungsgeladenen Verhandlungsthriller gedreht mit immer neuen Twists; er führt die katholische Kirche aber nicht vor. Das Ringen um die Mehrheit für einen neuen Papst wird trotz der Intrigen und deren schonungsloses Offenlegen auch nicht in Frage gestellt – es sind halt schlicht die Fakten. Edward Berger will vielmehr ein neutraler Beobachter sein, der ohne Effekte in Bild und Ton einfach mit der Kamera draufhält. Zum Ende hin zeigt er in einer eh schon voller Twists steckenden Handlung eine alles vorherige in den Schatten stellende Wendung, die im Rahmen des Konklaves einer Revolution in der katholischen Kirche gleichkommt.