Lido Pimienta: Miss Colombia
Auf Album Nummer drei nimmt die kolumbianische Sängerin ihre Heimat ins Visier – mit Selbstliebe und Empowerment.
Zöpfe bis zu den Füßen, ein mit großen bunten Punkten beflecktes Kleid und mit Blumen verzierte Schuhe. Wer vor Kurzem den Auftritt von Lido Pimienta bei der YouTube-Show „Colors“ gesehen hat, weiß: Diese Frau ist eine Erscheinung! Ähnlich einzigartig wie ihr Kleidungsstil ist auch die Musik der Sängerin: Eine erfrischende Zusammenführung von quirligen Elektrosounds und den Cumbia-Klängen ihrer Heimat Kolumbien, die – traditionell von Flöten, Akkordeon, Congas und Guiros gespielt – allein schon durch ihre Instrumentation erquicklich wirken.
„Miss Colombia“ ist ein Brief an Pimientas Heimatland
Als sie an den Songs ihres dritten Albums „Miss Colombia“ feilte, enthielten die Arrangements zunächst nur ihre Stimme und einige Bläsersätze. Erst nach und nach kamen die elektronischen Beats ihres Co-Produzenten Prince Nifty hinzu. Es ist eine Aufeinandertreffen von Tradition und Innovation, Neu und Alt – und gerade aus dieser Mischung entwickeln die politisch aufgeladenen Songs der Sängerin ihre Schlagkraft.
Denn „Miss Colombia“, so Pimienta, sei in erster Linie ein zynischer Brief an ihr Heimatland, der Titel eine Anspielung auf die Auszeichnung der Miss Universe im Jahr 2015, als Moderator Steve Harvey zunächst die kolumbianische Kandidatin als Siegerin ankündigte, diese die Krone jedoch nach nur wenigen Minuten an ihre philippinische Kontrahentin weitergeben musste. Für Pimienta war dieser Moment vor allem prägend, weil sie die darauffolgenden Reaktionen der Zuschauer*innen schockierten. Denn in den Augen von großen Teilen Publikums vor den Bildschirmen und im Internet wäre Miss Columbia die eigentliche Siegerin gewesen. Ihren Unmut brachten sie jedoch vor allem in rassistischen Kommentaren zum Ausdruck, die sich gegen Harvey und die letztliche Siegerin richteten.
Lido Pimienta: Selbstliebe als Gegenentwurf
Pimienta fühlte sich in diesem Moment vor allem an den Rassismus erinnert, den sie als schwarze Frau mit indigenen Wurzeln selbst in ihrer Heimat erfahren hatte. Es sind dieser Rassismus und die Entzweiung der Gesellschaft in Kolumbien, die die mittlerweile in Toronto lebende Sängerin immer wieder angreift – und denen sie Empowerment und Selbstliebe gegenüberstellt.
Das Album beginnt mit a capella Gesang. Im letzten Song kehrt die Melodie des Openers zurück, dieses Mal jedoch als Chor verschiedener Aufnahmen von Pimientas Stimme. Der Schmerz scheint der Melodie entzogen, der Konflikt, der sich als zentrales Thema durch das Album zieht und immer wieder an anderen Stellen offenbart, für einen kurzen Moment beigelegt. Jedoch findet Lido Pimienta den Frieden nicht in äußeren Umständen, sondern in der Kraft ihrer eigenen Stimme und in sich selbst. sg