„Maror“ von Lavie Tidhar
Heiliges Land der Mobster: In „Maror“ offenbart Lavie Tidhar grenzenlose Gier – und die Geschichte Israels als Verkettung von Gangsterstücken.
Eigentlich schreibt Lavie Tidhar abgedrehte Fantasy, doch mit „Maror“ legt er einen epochalen Noir vor.
„Maror“ von Lavie Tidhar ist unser Krimitipp der Woche.
Der Staat Israel ist auf Sand gebaut. Nicht nur, weil mehr als die Hälfte des Landes von Wüste bedeckt ist, sondern auch bildlich, denn die als kritische Masse zusammengedrängte multi-ethnische Population lebt in permanenter Bedrohung von außen. Zudem wirken interne Machtkämpfe kontraproduktiv auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer kriminell oder korrupt ist, will sich bei den vielen gefährlichen Sandkastenspielen behaupten.
Der in London lebende Israeli Lavie Tidhar springt mit einer Reihe von Schauplätzen durch vier Jahrzehnte: In „Maror“ offenbart er grenzenlose Gier – und die Geschichte Israels als Verkettung von Gangsterstücken. 1977 gibt es einen groß angelegten Immobilienbetrug im besetzten Westjordanland. Das libanesische Beirut des Jahres 1982 wird von einem Revierkampf unter israelischen Gangstern beherrscht, die dort den Waffenschmuggel organisieren. Und 1995 glaubt ein Drogendealer bei einem Festival in der Negev-Wüste an eine bessere Zukunft. Doch dann wird dort Hoffnungsträger Yitzhak Rabin ermordet … Mitten im Chaos: zwei Cops, die Selbstjustiz mit Bibelzitaten rechtfertigen. Eigentlich schreibt Tidhar abgedrehte Fantasy, mit diesem epochalen Noir wendet er sich jedoch der Realität zu – und steckt auch hier nicht den Kopf in den Sand.
Hat es Lavie Tidhar mit „Maror“ auf unsere Liste der besten Krimis im Mai 2024 geschafft?