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Fiktive Fiktion

Buchcover „Der Tod in ihren Händen“ von Ottessa Moshfegh

Mit „Der Tod in ihren Händen“ veröffentlicht Ottessa Moshfegh wieder eine abseitige Kriminalgeschichte mit einer einsamen Witwe als Erzählerin – der man als Leser*in besser gehörig misstraut.

Magdas Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Ihr Gesicht liegt halb in der schwarzen Erde, aus Stichwunden in ihrem Körper sickert Blut in den Waldboden. Keine Angst: Das ist nicht real, sondern nur der Phantasie einer alten Frau entsprungen! Die 72-jährige Vesta hat beim Gassi gehen mit ihrem Hund eine merkwürdigen Zettel gefunden: „Ihr Name war Magda. Niemand wird jemals erfahren, wer sie getötet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche.“ Vesta entdeckt keine Anzeichen für den behaupteten Mord. Also nur ein dummer Streich? Oder der Anfang einer Geschichte? Vesta Neugier ist geweckt: Die Zeilen inspirieren sie, sich die Tat vorzustellen. Mit einem Ratgeber für Krimiautoren erspinnt sie Magdas Biografie und schreibt Szenen rund um das vermeintliche Verbrechen.

Wer die introvertierten Protagonist*innen von Ottessa Moshfegh kennt, weiß um deren Kauzigkeit und verzerrte Wahrnehmung von Realität, die sich aus Selbstisolation ergibt. Nach Romanen wie „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ oder „McGlue“ sind wir auch mit der zurückgezogen lebenden Witwe Vesta einer unzuverlässlichen Ich-Erzählerin ausgeliefert, die sich zur Autorin ihrer eigenen Geschichte macht. Wenn ein Buch keine aufregende Handlung bietet, schreibt sich die Hauptperson eben selbst das Leben spannend! Ottessa Moshfegh spielt mit der Erwartung eines Krimiplots. Sie lässt zwischen den Zeilen geschickt Grauen aufblitzen, wenn Vestas Erzählung auch Fragen zum Tod ihres Mannes aufwirft. Sie lässt durchblicken, was es mit dem Zettel auf sich haben könnte. Sie lässt uns über „alternative Fakten“ nachdenken und darüber, was Einsamkeit mit uns macht. Am Ende sticht dann doch noch ein Messer todbringend in einen Körper. Oder hat sich Vesta auch das nur ausgedacht?

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