„Pocket Poetry“ von Martin Baltser: Ein intensiver Spaziergang
Auf „Pocket Poetry“ beweist Martin Baltser seinen besonderen Zugang zur Welt – ein Scheidungskind, seine Oma und die Liebe spielen eine wichtige Rolle.
Ist es okay, von „queerer Musik“ zu sprechen? So problematisch diese Ab- oder gar Ausgrenzung auch ist, eint queere Musiker:innen ein besonderer Blick auf die Welt, der oft von intensiver Selbstreflexion und Erklärungsdruck geprägt wurde. Der dänische Songwriter und Produzent Martin Baltser hat mit dem Debütalbum vor vier Jahren sein Outing thematisiert: Auf „The Wasteland Incident“ geht es um Erwartungen, die er nicht erfüllen konnte, aber auch um Rollenmodelle, denen er sich nicht fügen wollte.
„Pocket Poetry“ von Martin Baltser erscheint am 24. November
Wenn er das zweite Album nun „Pocket Poetry“ nennt, legt er damit seine Arbeitsweise offen: Alle acht Songs basieren auf lyrischen Fragmenten, die er sich während eines Spaziergangs notiert hat – und stets geht es in ganz unterschiedlichen Kontexten um die Fragilität des Verliebtseins. Während „Simon, I know a Place“ als eine klassische LGTBQ-Liebesgeschichte um die Suche nach einem Schutzraum kreist, fühlt er sich mit „Astronomer“ in ein Scheidungskind ein und verneigt sich mit „Our Rockets“ vor seiner Großmutter und ihrem Umgang mit Verlust. Wie etwa Justin Vernon und Ásgeir pendelt Baltser mit seinem zeitgemäßen Folk zwischen Bariton und Falsettgesang, und der eindringlichste Song dieser emotionalen Flaniererei offenbart sich schon mit seinem Titel: „Fuck, I fell in Love“.