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Queer, Schwarz und lost: Mit „Schwarze Früchte“ beweist die ARD Mut

Gemeinsam navigieren die Hamburger:innen Lalo (Lamin Leroy Gibba, li.) und Karla (Melodie Simina, re.) durch die Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens, zwischen Karriere, Dating und Familie, auf der Suche nach ihrem Platz im Leben.
Gemeinsam navigieren die Hamburger:innen Lalo (Lamin Leroy Gibba, li.) und Karla (Melodie Simina, re.) durch die Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens, zwischen Karriere, Dating und Familie, auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. (Foto: ARD Degeto/Jünglinge Film/Studio Zentral/David Uzochukwu)

Mit „Schwarze Früchte“ startet in der ARD-Mediathek eine wichtige und witzige Serie über die Irrungen des Erwachsenwerdens.

Lalo (Lamin Leroy Gibba) ist queer, Schwarz, Mitte zwanzig, und sein Leben liegt aktuell in Scherben: Seine Beziehung mit Tobias (Nick Romeo Reimann) ist im Begriff völlig zu zerbrechen, das Architekturstudium hat er geschmissen, sein:e beste:r Freund:in Bijan (Benjamin Radjaipour) steht kurz vor einem Umzug nach Paris, und seine Mutter beginnt bereits damit, alte Sachen seines kürzlich verstorbenen Vaters wegzuschmeißen, obwohl Lalo noch gar nicht richtig trauern konnte. Auf der anderen Seite Karla (Melodie Simina), Lalos Kindheitsfreundin. Bei ihr läuft es annähernd perfekt: Beförderung in einem großen Finanzunternehmen und eine Wohnung, von der andere Mittzwanziger nur träumen können. Doch als ihr ein Kollege einredet, sie sei von ihrem übergriffigen Chef bloß befördert worden, wegen der Quote, eine Schwarze Frau mache sich eben gut, beginnt sie an ihrer Souveränität zu zweifeln. Und dann ist da auch noch ihre 16-jährige schwangere Schwester.

„Schwarze Früchte“ in der ARD-Meditathek: ehrlich, entwaffnend, lustig

So klassisch die Coming-of-Age-Plot-Points in „Schwarze Früchte“ auch sein mögen, findet die achtteilige ARD-Serie einen ganz und gar eigenen Zugriff zu Themen wie Rassismus, Sexismus, Identität, Trauer, Queerness und Macht. Gleich die erste Folge, Lalo ist zum Dinner bei den Eltern seines Noch-Freundes Tobias eingeladen, ist brillant. In dem bildungsbürgerlichen Einfamilienhaus entspannt sich ein so subtiles Drama, das die vermeintliche Weltgewandtheit vieler Linksliberaler als Machtinstrument und Rassismus entlarvt. Das uneingeforderte Mitleid, das Lalo hier entgegenschwappt, ist kaum auszuhalten. Man weiß nicht, ob man weinen oder lachen soll. Und die Serie reizt diese Szene gnadenlos aus. Eine absolute Stärke von „Schwarze Früchte“, sich so voller Lust in die Scham und in die Angst hineinzulehnen.

Dabei trifft die Serie in wahrsten Sinne immer den richtigen Ton: Die Finger werden nicht erhoben, sondern in die Wunde gelegt, der Humor ist spitz, konfrontativ, aber nie unangenehm und die Sprache aller Figuren so authentisch, wie man es sonst nur aus US-Serien gewohnt ist. Womit man schon gleich beim Team hinter der Serie wäre. Denn „Schwarze Früchte“ ist der beste Beweis dafür, dass es für neue, unterrepräsentierte Perspektiven in der deutschen Serienlandschaft mehr braucht als einen diversen Cast, sondern ein Team aus Film- und Serienschaffenden, die den einzufangenden Erfahrungshorizont teilen. Neben dem fantastischen Creator, Headautor und Hauptdarsteller Lamin Leroy Gibb besteht das Team hinter „Schwarze Früchte“ zu weiten Teilen selbst aus BIPoC und queeren Personen. Zumal sich der Writers Room aus erfahrenen Leuten wie etwa einigen aus dem Team des Kinofilms „Futur Drei“ und völlig fachfremden Menschen zusammengesetzt hat: „Die Mehrheit des Writers Rooms hatte vor ‚Schwarze Früchte‘ noch keine Seriendrehbücher geschrieben und sie brachten unter anderem Expertisen aus den Kulturwissenschaften, Journalismus, Lyrik und Theater mit, die das Projekt bereichert haben“, erklärt Gibb. Ein Wagnis, das sich gelohnt hat.

Trotz Streit, schaut Karla (Melodie Simina, li.) sich Lalos (Lamin Leroy Gibba) Installation an.
Trotz Streit, schaut Karla (Melodie Simina, li.) sich Lalos (Lamin Leroy Gibba) Installation an. Foto: Foto: ARD Degeto/Jünglinge Film/Studio Zentral/Maïscha Souaga
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