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Quentin Tarantino spricht zu Streaming und den Folgen für das Kino bei Digital-Messe in Hamburg

Quentin Tarantino Jeansjacke verschränkte Arme
Hat als erster Drehbuchautor und Regisseur auch die Romanfassung zu einem seiner Filme geschrieben: Quentin Tarantino. (Foto: Art Streiber / AUGUST)

Besucherrekord, Musikstars, ein Tech-Talk mit Ashton Kutcher und als krönender Abschluss ein emotionaler Auftritt von Regisseur Quentin Tarantino bei den OMR 2022.

  • Das Messeevent OMR hat wie gewohnt ein mit Persönlichkeiten gespicktes Programm präsentiert.
  • Höhepunkte waren die Talks mit Ashton Kutcher und Quentin Tarantino.
  • Der US-Schauspieler und der Filmemacher haben offenbar zwei sehr unterschiedliche Blickwinkel auf den Digital-Boom in der Filmbranche.

Nach 2-jähriger Corona-Pause profitieren neben der Kulturbranche auch Messeveranstaltungen vom Aufschwung und vorerst ausgesetzten Infektionsschutzmaßnahmen, so auch die Fachmesse OMR in Hamburg. Der Auftakt 2022 wirkt dabei auf den ersten Blick gelungen, zehntausende Besucher:innen haben die Messehallen in Hamburg am 17. und 18. Mai gestürmt, um sich zwischen Foodtrucks, Bars einschlägiger Energydrink-Marken und verschiedenen Messeständen zu Workshops und Talks hindurchzudrängen. Die absoluten Buzzwords in 2022: Influencer, TikTok, NFTs.

Als Höhepunkte des Events für die Digitalbranche, Marketer und Werbern galten in diesem Jahr – neben den Auftritten namhafter Musiker:innen und Talks wie die mit Aktivist Rutger Bregman, Influencerin Sophia Thiel oder Universitätsprofessor Scott Galloway – eindeutig die Live-Interviews mit den beiden Hollywood-Stars Ashton Kutcher und Quentin Tarantino, die von Moderator Steven Gätjen geführt wurden. Einige Medien berichten aktuell über die Auftritte der großen Namen und feiern das Event und die Digitalbranche ebenso ab, wie es die Besucher:innen tun.

Doch auf dem Event sind stets auch ein-zwei kritische Stimmen vertreten. Diesmal ergab sich die Kritik am Digitalzirkus nicht nur, wie bereist in 2016 von Scott Galloways steilen, aber gut belegten Thesen, sondern kam auch von einem schlecht gelaunten Quentin Tarantino. Von den Veranstalter:innen wurde er zuvor noch als absolutes Highlight im Programm beworben. Nachdem Ashton Kutscher, der eher als Tech-Investor auftritt, statt als Schauspieler, die Menge mit seinem Statement „Macht dieses Produkt die Menschen glücklich?“ zum jubelndem Applaus beflügelt, verpasste Tarantino dem Spektakel mit seinem Auftritt einen ordentlichen, aber womöglich wichtigen Dämpfer.

Digitalisierung: Tarantino hält Folgen für die Filmbranche für nicht absehbar

Tarantino tritt auf, wie man es von ihm gewohnt ist: unberechenbar, unterhaltsam, ausschweifend gestikulierend. Er spricht etwa eine halbe Stunde und liefert statt eines Verkaufsgesprächs, wie Shirin David oder Rapper Xatar, eine ehrliche Einschätzung des Potenzials der Digitalisierung für die Filmbranche. Und Tarantino lässt sich trotz der Mega-Bühne nicht dazu hinreißen, sich anzubiedern. Auch der Frage, ob er sich als Marke sehe, widerspricht er vehement: Dieser Definition nach seien auch Mark Twain und Charles Dickens Marken, erklärt er. „Er ist jedenfalls keine, sondern ein Filmregisseur und Buchautor.“

Nach ein wenig Geplänkel um das Drehbuch zu „Pulp Fiction“ fällt Tarantino dann sein Urteil über das Potenzial von Streaming-Angeboten und die Folgen der Digitalisierung für das Kino. Es geht damit auch um die Folgen für seine Arbeit, denn zurzeit wird viel spekuliert, ob es überhaupt noch einen weiteren Tarantino-Film geben wird.

Tarantino meint: Wie es mit dem Kino weitergehen wird, wisse im Moment niemand und es würde auch noch Jahre dauern, bis sich der Staub legt und klar werde, wie es weiter gehen kann. Aber eines sei für ihn schon jetzt klar: „Wenn die Industrie, zu der ich gehöre, sich dann drastisch von dem Modell der Auswertung von Filmen im Kino abgewandt haben sollte, dann bin ich daran nicht mehr interessiert. Mein Job ist es nicht, Fernsehen zu machen.“

Und auch, wenn Tarantino froh darüber ist, dass die kreative Freiheit bei Streamingdiensten größer ist, weil die Alleinherrschaft der Kinokasse dort keine Rolle spiele, misst er den für Streamingangebote produzierten Filmen weniger Bedeutung bei, als es der Hype um Plattformen wie Netflix, Amazon Prime Video und Co. gerade verspricht: Er behaupte nicht, dass diese Filme schlecht seien, „aber ich sage, dass sie sind nicht Teil des Zeitgeistes sind.“ Die Streamingangebote seien nicht Teil des kollektiven Diskurses über Popkultur. Ihm fehlt es also am Dialog, den Popkultur führen kann.

Die Einschätzung des Megastars der Filmbranche dämpft die Stimmung deutlich, jagen auf der Digitalmesse doch viele der Idee, dass die Digitalisierung die Filmvermarktung zukunftssicher machen wird, hinterher. Nur wenige der Besucher:innen scheinen sich der Expertenmeinung anschließen zu wollen. Und dann überrascht es auch keinen, dass Tarantino nicht mal ein Smartphone besitzt. Das kann man durchaus als emotionalen Abschluss der OMR 2022 werten.

„I like Risk. It makes better movies“: Sieh dir hier den ganzen Talk mit Quentin Tarantino an

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