Zum Inhalt springen

Ralf Husmann: „Stromberg ist oft eine sehr traurige Figur“

Ralf Husmann ist von Anfang an der Autor der Serie „Stromberg“ gewesen und hat auch das Drehbuch zum ersten „Stromberg“-Film geschrieben. Jetzt kommt der Film „Stromberg – Wieder alles wie immer“ in die Kinos.
Ralf Husmann ist von Anfang an der Autor der Serie „Stromberg“ gewesen und hat auch das Drehbuch zum ersten „Stromberg“-Film geschrieben. Jetzt kommt der Film „Stromberg – Wieder alles wie immer“ in die Kinos. (Foto: © Made For Film, Julia Terjung)

Er ist wieder da! Im Kino läuft „Stromberg – wieder alles wie immer“. Wir haben mit Ralf Husmann gesprochen, dem Autor all dieser zum Fremdschämen fiesen Dialoge.

Herr Husmann, was macht die Fertigstellung des Films, haben Sie damit überhaupt was zu tun als Drehbuchautor, ist Stress angesagt?
Ralf Husmann: Ich bin ja auch Produzent! Insofern habe ich auch damit was zu tun. Ein Kinofilm ist ja immer eine komplexere Angelegenheit als ein Fernsehfilm und damit auch ein längerer Prozess, als ich es vom Fernsehen gewohnt bin.

Eine Geheimnistuerei ist es nicht, dass man den Film noch bis vor kurzem nicht sehen konnte?
Ralf Husmann: Nee, es geht nicht um Geheimnistuerei, wir haben halt wie immer relativ knapp kalkuliert beim Ziel, noch vor Weihnachten ins Kino zu kommen. Anfang des Jahres haben wir noch gedreht, für Kinoverhältnisse ist das ein sportlicher Produktionsprozess.

Was klar ist: Es geht um eine Reunion aller Figuren. Wie die aussehen soll, sieht man nicht genau. Im Trailer sieht man eine Talkshow, bei der die wichtigsten Personen aus dem Büro anwesend sind. Und man kann nicht erkennen, in welchem Kontext diese Talkshow stattfindet. Ist diese Unklarheit Absicht oder den Umständen geschuldet?
Ralf Husmann: Das ist natürlich auch ein bisschen Absicht, wir wollten das Publikum neugierig machen.Wir waren ja über zehn Jahre nicht präsent, da ist schon spannend zu sehen, was aus den Leuten geworden ist und wie es weitergeht. Und für eine Reunion gibt es bereits einige Vorbilder, die Serie „Friends“ hat eine gemacht, bei „Harry Potter“ hat es eine gegeben, wo alle Protagonisten auf der Couch zusammensaßen. Deshalb hatte ich das Gefühlt, dass man den Menschen das nicht lange erklären muss.

Am Ende des Spielfilms von vor elf Jahren mobilisiert Bernd Stromberg Massenproteste auf der Straße, die Menschen rufen Slogans wie ,Fickt das Kapital!˚, schließlich wird er sogar von der SPD ins Willy-Brandt-Haus eingeladen, und der echte Frank-Walter Steinmeier, damals Außenminister, begrüßt ihn per Handschlag. Es scheint, dass aus dem Antihelden doch ein sympathischer Mensch werden könnte. Ist das am Ende vielleicht ein großes Missverständnis?
Ralf Husmann: Wenn man mit elf Jahren Abstand auf diese Szene guckt, kann man vielleicht auch sagen, die SPD war von beiden Seiten ein großes Missverständnis. Er hat natürlich auch da keine Wandlung durchgemacht, sondern Stromberg hat die Gunst der Stunde genutzt und versucht, sich an die Speerspitze einer neuen Bewegung zu setzen, wo er das Gefühl hat, es könnte ihm helfen. Und genau das ist klassisch Stromberg. Mir war es immer wichtig, die Figur so zu erzählen, dass er ab und zu auch mal gewinnt und etwas richtig macht. Aber natürlich ist der Antrieb erst mal ein egoistischer, er möchte zu den Gewinnern zählen, und das auf eine Art und Weise, die manchmal auch eine gute ist.

„Stromberg – Wieder alles wie immer“ startet jetzt in den Kinos.
Christoph Maria Herbst ist als Bernd Stromberg zurück. Foto: Foto: © Made For Film/Willi Weber

In den elf Jahren seit dem Film hat sich unsere Gesellschaft politisch sehr geändert, die Erstarkung der AfD ist das deutlichste Zeichen dafür. In dieses Spektrum würde Stromberg meiner Meinung nach trotz aller rassistischen und sexistischen Sprüche nie reinpassen. Können Sie schon verraten, wie Stromberg sich weiterentwickelt hat seitdem?
Husmann: Es freut mich, dass Sie das so sehen. Ich habe ihn nie als Rassisten oder Sexisten angelegt, das sind Dinge, die ihm passieren beim Versuch, alles richtig zu machen. Wir haben jetzt ja einen Bundeskanzler, der schon mit Stromberg verglichen wird, und das kommt nicht von ungefähr. Der sagt im Prinzip Dinge wie: Er könne gar nichts gegen Frauen haben, er habe ja selber eine. Dieses Missverständnis ist klassisch Stromberg, weil er gar nicht versteht was gemeint ist. Auch ein Friedrich Merz positioniert sich ja nicht bewusst gegen Frauen, er versteht einfach gar nicht, warum die seine Erklärung etwas unterkomplex finden. Auch bei Stromberg haben wir immer versucht zu zeigen, dass er eigentlich auf der Suche nach Anerkennung ist, dass er Freunde haben will, dass er versucht, in seiner Welt ein guter Chef zu sein, so wie Merz versucht, ein guter Bundeskanzler zu sein. Beide aber scheitern ganz oft an den Gegebenheiten des Alltags und den Grenzen ihres Bemühens neue Entwicklungen zu verstehen Die AfD hingegen spielt ganz bewusst mit Vorurteilen und agiert ganz bewusst gegen gewisse Gruppen in der Bevölkerung.

Selbst in den schönsten Momenten kann die Möwe dir auf Jacket scheißen“

Reproduziert Stromberg rassistische und sexistische Aussagen, wenn er sie raushaut? Diese Kritik gibt es ja, auch wenn er seine Sprüche in Serie und Film im satirischen Kontext raushaut. Wurde Ihnen als Autor das schon vorgeworfen?
Husmann: Ich kann mich nicht erinnern, dass mir das schon als Autor vorgeworfen wurde. Zum Glück bin ich bei den ganzen Social-Media-Sachen nicht dabei, ich würde es also wahrscheinlich gar nicht mitkriegen. Aber ich verstehe den Punkt, ich verstehe auch, dass man das thematisieren kann. Aber ich glaube auch – ohne dass ich für alle Sachen aus den letzten 20 Jahren meine Hand ins Feuer legen möchte –, dass Stromberg derjenige in unserem Format ist, der am Ende immer verliert. Ich verstehe aber das Argument, dass er auf dem Weg dahin Dinge reproduziert, und kann es nachvollziehen. Ich glaube aber auch, dass diese Kritik einer Mode unterworfen ist, die hauptsächlich bei komischen Formaten gilt. Ich habe noch nie bei einem Krimi gehört, dass er Gewalt reproduziert .. Ich habe schon US-Serien gesehen, wo vorneweg gewarnt wurde, man würde Tabakkonsum sehen. Aber nach drei Minuten wurde jemand gewaterboardet, nach vier Minuten wurde jemand erschossen, aber gewarnt wird vorm Rauchen. In dieser Differenz bewegen wir uns.

„Stromberg – Wieder alles wie immer“ startet diese Woche in den Kinos.
Natürlich ist auch Bjarne Mädel als Berthold „Ernie“ Heisterkamp wieder mit dabei, wenn „Stromberg – Wieder alles wie immer“ in den Kinos startet Foto: Foto: © Made For Film/Willi Weber

Haben Sie sich mal dabei ertappt, dass Sie beim neuen Drehbuch manche Sprüche nicht mehr so geschrieben haben wie früher?
Husmann: Ich denke da eigentlich gar nicht drüber nach und habe auch früher nicht drüber nachgedacht. Als ich die Diskussion um Bullys Film „Das Kanu des Manitu“ verfolgt habe, habe ich gehofft, dass (lacht) er die ganze Scheiße abbekommt. Ich habe aber das Gefühl, dass sich diese Mode gesellschaftlich gerade wieder erledigt. Es war ja auch nie so, dass man irgendwann mal irgendwo in Deutschland alles sagen konnte, das war nie so, in den 50ern nicht, in den 60ern nicht, in den 70ern nicht, in den 80ern nicht. Vor 20 Jahren hat man in einem anderen Kontext gelebt und andere Dinge gesagt und gemeint, seitdem hat sich die Welt weiterentwickelt.

Wenn man mal von „Stromberg“ wegschaut und sich mit „Merz gegen Merz“ eine Serie anschaut, sie Sie ebenfalls produzierten und deren Drehbuch sie schrieben, fällt auf: Ralf Husmann schreibt ganz feine Dialoge, und selbst in der Scheidungsdiskussion schimmert da noch die Liebe durch, die früher mal das Band zwischen den beiden bildete. Ist das schlicht Handwerk oder doch mehr?
Husmann: Es hat sehr viel mit Handwerk zu tun, es hat auch damit zu tun, dass ich seit mittlerweile 20 Jahren auch als Produzent für meine Sachen zuständig bin und damit auch für das Casting. Ich weiß relativ gut, für wen ich schreibe. Mein erster Arbeitsschritt ist, mir anzugucken, wer meinen Kram spielt. Ich habe jetzt schon ein paar Formate gemacht, wo wir zuerst gecastet haben, und dann erst habe ich das Drehbuch geschrieben.

Ralf Husmann: „Ich weiß, wie ein Christoph Maria Herbst redet“

Genau diesen Verdacht hätte ich in der nächsten Frage ausgesprochen.
Husmann: Ich muss vorher wissen, ob jemand meinen Sound kann oder nicht. Es hat ein bisschen was Musikalisches, weil ich sehr viel mit grammatikalisch falschen Sätzen arbeite, mit abgebrochenen oder verschachtelten Sätzen. Ich weiß, wie ein Bjarne Mädel redet, ich weiß, wie ein Christoph Maria Herbst redet, ich weiß, wie eine Annette Frier redet. Ich kann damit relativ gut antizipieren, wie Sätze funktionieren. Der Herr Nübel bei uns in der Capitol-Versicherung in „Stromberg“ heißt Herr Nübel, weil ich weiß, dass Christoph mit dem Ü was machen kann. Deshalb heißt Herr Nübel (Husmann dehnt das Ü ins Unendliche wie Christoph Maria Herbst in der Serie) eben nicht Herr Meier. Was ein Bjarne oder eine Annette eben nicht so machen würde. Bjarne kriegt einen ganz anderen Sound geschrieben, weil er eine norddeutsche Herkunft hat und dadurch wie auch Christian Ulmen leicht norddeutsch redet, und wenn ich einen Satz schreibe, weiß ich schon, dass Bjarne oder Christian den Satz hinten betonen werden, wo alle anderen in der Mitte betonen. Um auf die Frage zurückzukommen: Ich merke, weil ich auch unterrichte an Filmhochschulen, dass Kollegen und Kolleginnen dazu tendieren, Dialoge so zu schreiben, wie man sie selber im Fernsehen auch hört. Im wahren Leben aber reden die Leute anders. Man redet grammatikalisch falsch, man redet in halben Sätzen, man wiederholt sich ständig, man fällt sich auch ständig ins Wort. Man sagt auch nicht: Ich ging gestern in die Stadt, sondern: Ich bin gestern in die Stadt gegangen.

„Stromberg – Wieder alles wie immer“ läuft ab dieser Woche in den Kinos.
Milena Dreißig spielt Jennifer Schirmann, von Stromberg mit dem Kosenamen Schirmchen bedacht. „Stromberg – Wieder alles wie immer“ läuft ab dieser Woche in den Kinos. Foto: Foto: © Made For Film/Willi Weber

Mir scheint, die Charaktere werden bei Ihnen über die Dialoge definiert. Es wird viel geredet bei Ihnen. Kommen Sie beim Schreiben eher von den Charakteren her oder von den Dialogen?
Ralf Husmann: Es wird viel geredet, auf jeden Fall. Ich mache damit aus der Not eine Tugend. Wir haben halt im deutschen Film- und Fernseh-Business nicht so viel Geld, dass man das über andere Wege erzählen kann. In meinem Fall ist es dann so, dass ich mich auf meine Schauspieler und Schauspielerinnen verlassen muss. Ich werde nie die großen Schauwerte haben, nie die großen Actionszenen. Was ich am liebsten mache, was mir am meisten entgegenkommt, sind im weitesten Sinne Kammerspiele.

Welche Charaktere fehlen Ihnen noch in Ihrem Portfolio als Drehbuchautor? Die wirklich fiesen, die wirklich traurigen, tragischen?
Ralf Husmann: Ich finde ja, dass wir sehr tragisch und traurig sind. Auch im wahren Leben ist das Große immer neben dem Kleinen, das Traurige immer neben dem Lustigen. Ich habe noch nie erlebt, dass eine Situation hundertprozentig nur eine Sache ist. Selbst in den schönsten Momenten des Lebens gibt es die Situation, wo die Möwe dir auf das Jackett scheißt. Oder die andere Richtung: Der Vater meiner damaligen Freundin ist mal im Notarztwagen ins Krankenhaus gefahren worden und wollte noch in dieser Situation erklären, wie man dorthin fahren muss, weil er dachte, er kennt die Strecke besser als der Notarzt. Das war sehr lustig. Stromberg ist für mich oft eine sehr traurige Figur, weil er aus einer so großen Einsamkeit herauskommt, weil er eigentlich keine Familie hat, weil nichts in seinem Leben richtig funktioniert hat und sein Lebensraum im Grunde das Büro ist, wo er versucht, Freunde oder einen Familienersatz zu finden. In meiner Wahrnehmung sind bei allen Sachen, die ich gemacht habe, diese Dinge immer nebeneinander. Man kann das Glück erzählen, aber dann kommen immer wieder auch Ereignisse, die das Glück wieder torpedieren. Und zum richtigen Bösewicht: Ich habe nicht den Impuls, einen solchen Charakter zu schreiben. Das tragikomische ist mein liebstes Genre.

Beitrag teilen:
kulturnews.de
Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.