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Mörder in München

Schorsch Kamerun inszeniert am Residenztheater „M (3)“.
(Foto: Sandra Them)

Für das Residenztheater inszeniert Schorsch Kamerun – Sänger, Autor, Theaterregisseur und Klubbetreiber – die Konzertinstallation „M (3) – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Die bayerische Hauptstadt kommt dabei nicht unbedingt gut weg.

Schorsch, „M (3) – Eine Stadt sucht einen Mörder“ nimmt Bezug auf den Film von Fritz Lang und Thea von Harbou aus dem Jahr 1931. Worum geht es konkret?

Schorsch Kamerun: „M (3)“ ist bereits der dritte Teil eines Projekts, das eigentlich im April im Münchner Residenztheater hätte aufgeführt werden sollen. Nach der Corona-Verschiebung haben wir daraus zusammen mit BR und Münchner Biennale zuerst ein Hörspiel gemacht, noch per Zoom. „M (2)“ war dann schon eine Musik-Theater-Live-Film-Aufführung mit 130 Zuschauern auf dem Marstall-Platz, bei dem parallel bereits „echt“ gespielt wurde. Das war cool soweit, es fehlte aber immer noch die „volle Berührung“, das ungebremste miteinander in Beziehung Treten. Dieses Manko merkt man bei jedem digitalem Meeting, wo auch nur mit eingeschränkten Sinnen kommuniziert wird. Als nächstes machen wir es endlich als volle Performance in München.

Was hat der Untertitel „Hässliche Furcht oder schönste Gegenwehr?“ zu bedeuten?

Kamerun: Nach der Analyse „des Schreckens“ in den ersten beiden Teilen wollen wir in der finalen Version darüber sprechen, was man für Angebote machen kann, um der aktuellen Dauerkatastrophenstimmung etwas entgegenzusetzen. Der Film stammt aus den 30er-Jahren, einer sehr wackligen Zeit: nach dem Ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik, im Schatten der Weltwirtschaftskrise – und dann noch dieser flüchtige Kindermörder. In unserer Gegenwart herrscht seit einiger Zeit allerdings permanent eine solche Stimmung, aus sehr unterschiedlichen Gründen. So nutzt und verstärkt der Neopopulismus Ängste, verspricht Abhilfe dagegen, unter Zuhilfenahme eines „starken Armes“. Dabei ließe sich durchaus auf Vielfältiges und Unsimples setzen, gerade in heutigen überkomplexen Umgebungen. Diese Möglichkeit wollen wir untersuchen und zeigen.

„In München hing gefühlt schon immer eine Kamera mehr als anderswo“

Warum ausgerechnet München?

Kamerun: Wie im Film und in unserem Stück ist Überwachung ein zentrales Thema. In München hing gefühlt schon immer eine Kamera mehr als anderswo. Wenn wir in den 80er-Jahren mit den Goldenen Zitronen da reinfuhren, hatten wir ständig das Gefühl: Hier müssen wir ein bisschen besser aufpassen. Auch bei Corona ist es kein Zufall, dass es immer Markus Söder ist, der vorprescht. Wir haben uns zusätzlich intensiv mit der Münchner Sicherheitskonferenz beschäftigt. Das „M“ im Titel unserer Interpretation darf also nicht nur für „Mörder“, sondern auch für „München“ gelesen werden.

Und diese Themen findet man bereits bei Lang?

Kamerun: In „M“ wird die Angst der Bevölkerung instrumentalisiert: Achtung! Achtung! Kindermörder – sofort stellt sich der Polizeiapparat besonders rigide auf. Achtung! Achtung! „Der Schrecken ist los“, deshalb müssen wir leider verstärkt Razzien durchführen, ganz viel Ordnungsmacht durch die Stadt schicken. Das ist das eigentliche Thema des Films, und es lässt sich erstaunlich gut auf heute übertragen. Somit ist „M“ unser Ausgangstext, den wir in verwandte, aktuell eingrenzende Themen hinein ziehen. Gegensteuern können wir, wenn wir wissen, dass das Profitieren von Ängsten es immer dort schwer hat, wenn Kollektive sichtbar und unbeeindruckt beieinander stehen.

„Theater ist flüchtig“

Würdest du sagen, dass sich diese Thematik im Vorschreiten der drei Teile spiegelt – vom virtuellen Hörspiel zum Live-Film-Hybrid zur tatsächlichen Aufführung?

Kamerun: Genau. Ob es wirklich aufgeht, weiß man natürlich nie, aber mir gefällt solch Experimentieren. Theater ist flüchtig. Ich habe jetzt zusammen mit unzähligen Mitmachenden um die fünfzig Theaterprojekte realisiert. Die sind alle weg, völlig verschwunden. Aber es waren unschätzbare Begegnungen in kollektiven, gemeinsamen Auftritten. Ich mag beides: Die Band, die Platten rausbringt „für die Ewigkeit“, aber auch den Theatermoment, der sich einzigartig zuspitzt und wieder verschwindet. Er hat etwas Unausweichliches – wenn der Zeitpunkt für die Show feststeht, fokussieren sich alle Kräfte verwegen auf dieses nichtmaterielle, windige Erlebnis – trotz aller Unausrechenbarkeiten.

Die Uraufführung von „M (3) – Eine Stadt sucht einen Mörder“ ist am 26. 9. Tickets gibt es auf der Webseite des Residenztheaters.

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