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Rocko Schamoni veröffentlicht seinen neuen Roman „Der Jaeger und sein Meister“
Mit schrägen Vögeln kann Rocko Schamoni eigentlich gut. Im Interview erzählt er, warum er ausgerechnet an seinem größten Inspirationsgeber fast gescheitert wäre.
„Große Freiheit“ war vor zwei Jahren ein Bestseller. Rocko Schamoni schreibt in dem Roman über das Leben von Reeperbahn-Legende Wolli Köhler, der den ersten kommunistischen Puff der Welt führen wollte. Doch eigentlich hatte Schamoni damals einen ganz anderen Plan: Schon seit Jahren will er über den Hamburger Maler, Grafiker und Satiriker Heino Jaeger schreiben, der bereits 1997 in einem Pflegeheim an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben ist.
Und eigentlich hatte sich Schamoni nur mit Köhler getroffen, um über dessen ehemaligen Freund Heino Jaeger zu sprechen – nur konnte er sich Jaeger trotz intensiver Recherche nicht nähern, wohl aber Wolli Kröger. Zwei Jahre später liegt mit „Der Jaeger und sein Meister“ nun aber auch der Roman vor, bei dem Schamonis wohl größter Inspirationsgeber im Zentrum steht. Nach „Große Freiheit“ ist es der zweite Teil von Schamonis Freaks-Trilogie.
Rocko Schamoni, seit vielen Jahren willst du über den Maler und Satiriker Heino Jaeger schreiben. Mit deinem letzten Roman „Große Freiheit“ bist du dann auf Wolli Köhler ausgewichen, einen Bordellbesitzer aus Jaegers engstem Freundeskreis. Was ist so schwierig an Heino Jaeger?
Rocko Schamoni: Ich konnte ihn nicht greifen, weil ich ihn nicht kannte. Ich wusste nicht, wie er vom Wesen her war. Zum Beispiel weiß ich nicht, ob er eventuell Asperger hatte, auf jeden Fall war etwas Warhol-mäßiges an ihm. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es vielleicht ganz gut und richtig so ist, dass ich nicht näher an ihn rankomme, dass er dem Leser also etwas fremd bleiben muss. „Der Jaeger und sein Meister“ ist jetzt eher eine Aufsicht auf sein Leben, als dass ich komplett mit ihm gehe.
Du stellst dem Buch einen sehr persönlichen Prolog voran, in dem du dich mit dem Tod deines Vaters auseinandersetzt.
Schamoni: Bei „Große Freiheit“ haben die Leute teilweise nicht verstanden, warum ich über Wolli Köhler schreibe. Was ist die Faszination an einem linken Bordellier aus den 70ern? Mit dem Vorwort will ich den Leuten erklären, warum ich mich auf die Suche nach diesen Typen aus der Generation meines Vaters mache. Und für meinen Blick auf diese Freaks habe ich so selbst auch Klarheit gewonnen.
Es gibt einige Parallelen zwischen Heino und dir: Jaegers Humor steht in enger Verbindung zu dem, was du etwa mit Studio Braun gemacht hast. Und ihr beide musstet damit umgehen, dass eure Kunst vereinnahmt werden sollte. Was genau meinst du, wenn du im Prolog von deinem künstlerischen Antrieb schreibst, eine „Antwort auf die Welt finden zu müssen“?
Schamoni: Es geht darum, etwas auf eine Weise zu formulieren, wie es noch niemand vor einem getan hat. Es geht darum, dieser gigantischen Mauer aus Kunst und Kultur ein paar Sandkörner oder manchmal auch ganze Steine hinzufügen. Ab und zu gelingt mir das – und dann bin ich für einen kurzen Moment zufrieden mit meiner Arbeit.
In dem Jaeger-Buch spürt man förmlich, welch große Freude es dir bereitet hat, die Feuilleton-Protagonist:innen der damaligen Zeit abzubilden.
Schamoni: Speziell die Geschichte über die Spiegel-Party ist meine persönliche kleine Lieblingsgeschichte aus dem Buch. Weil sie genau so stattgefunden hat, ich berufe mich dabei auf einen direkten Bericht von Hubert Fichte. Grade der Satz von dem vollkommen betrunkenen Augstein, den er einfach so in den Raum reingekräht hat, als eine ältere Dame die Gesellschaft betrat: „Die Fette da, die will ich ficken!“ mutet völlig bizarr an. Ich musste echt lachen, als ich das bei Fichte entdeckt hatte. Dieses Hamburger 70er-Jahre-Bildungsbürger-Klientel ist ja geschichtlich stark verklärt. Das sind linksintellektuelle historische Helden, aber die haben sich auf Partys eben auch wie die Schweine benommen.
Wer ist Rocko Schamonis großer Antiheld?
Der Maler, Grafiker und Satiriker Heino Jaeger (1938-1997) wurde in den 70ern durch seine Radioshows „Fragen Sie Dr. Jaeger“ und „Das aktuelle Jaegermagazin“ einem größeren Publikum bekannt. Mit Monologen und Stegreifszenen parodierte er den westdeutschen Alltag. Seine Zeichnungen und Gemälde zeigten häufig versehrte Soldaten und Militärutensilien, groteske Zwitterwesen oder Körperteile.
Jaeger war mit dem Schriftsteller Hubert Fichte, dem Boxer Norbert Gruppe alias Wilhelm Prinz von Homburg und Bordellbesitzer Wolli Köhler befreundet. Mitte der 80er-Jahre wurde er wegen Verwahrlosung und Alkoholsucht in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und verstarb 1997 in einem Pflegeheim an den Folgen eines Schlaganfalls.
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