Róisín Murphy: Endloses Abenteuer
Auch für ihr sechstes Album sucht Róisín Murphy nach immer neuen Herausforderungen – und rettet Produzent DJ Koze vor der eigenen Frustration.
Róisín, wie würdest du „Hit Parade“ mit dem Vorgänger „Róisín Machine“ vergleichen?
Róisín Murphy: Es ist komplett anders, obwohl sich die Arbeit daran teilweise überschnitten hat. Ich habe mit diesem Album angefangen, kurz nachdem DJ Koze mit seiner Platte „Knock knock“ fertig geworden ist, das war im Jahr 2018. Es war toll, dass „Róisín Machine“ allen so gut gefallen hat. Zugleich hat es sich sehr gut angefühlt, zu wissen, dass ich schon an „Hit Parade“ sitze und die nächste Überraschung vorbereite.
Ein zentrales Element von „Hit Parade“ ist, dass DJ Koze alle Tracks produziert hat. Schon auf seinem Album „Knock knock“ warst du gleich mehrfach zu hören. Ist damals die Idee für ein gemeinsames Album aufgekommen?
Murphy: Das ist sehr schnell passiert. Wir haben die beiden Tracks für „Knock knock“ getrennt voneinander aufgenommen, ohne uns zu treffen. Aber dann hat Koze erwähnt, er würde gern ein ganzes Album für mich produzieren. Er hat gefragt: Findest du die Idee gut? Ich habe nur gesagt: Okay, mach das! (lacht) Natürlich habe ich das nicht in Frage gestellt, ich war so begeistert von seiner Musik. Er ist einfach brillant.
Wie ist diese Beziehung entstanden?
Murphy: Der erste Anruf kam, weil er mich gebeten hat, auf dem „Knock knock“-Track „Pick up“ zu singen. Er hat mir den Song geschickt und mich gebeten, das Gladys-Knight-Sample mit etwas Eigenem zu ersetzen. Also habe ich etwas geschrieben und ihm per Mail geschickt. Am nächsten Morgen um sechs war die Antwort da: Er hatte mir den Track „Scratch that“ zurückgesendet, die Melodie, die ich für „Pick up“ geschrieben hatte, aber komplett anders hinterlegt. Ich glaube, weil ich damit kein Problem hatte, hat er gedacht: Mit so einer Sängerin kann ich arbeiten – die lässt mich machen, was auch immer ich will. (lacht)
Also hast du ihm viel Raum gelassen?
Murphy: Das einzige, was ich getan habe, ist, einige Tracks vor dem Mülleimer zu retten. Wir haben uns nur gestritten, wenn er von einem Song frustriert war und ihn wegschmeißen wollte. Ich habe ihn weinend gebeten, ihn zu behalten, und so habe ich ein paar Lieder vor der Vernichtung bewahrt.
Was fasziniert dich an seiner Art zu produzieren?
Murphy: Ich arbeite am liebsten mit Leuten, die etwas Greifbares in ihrer Musik haben. Die Songs sind dann eigentlich schon in den Tracks versteckt, ich muss nur lange genug hineinschauen, bis ich sie finde. Koze kann nur mit Klang sehr lebendige Geschichten erzählen.
Du hast „Hit Parade“ und die Zeit der Aufnahmen als die glücklichste deines Lebens bezeichnet. Ausgerechnet jetzt?
Murphy: Auf dem Album hört man auch jede Menge andere Emotionen, nicht nur Freude. Trotzdem finde ich, dass es sehr vergnügt geworden ist. Mich erinnert es deshalb an „Do you like my tight Sweater?“, das allererste Album, das ich mit Moloko gemacht habe. Ich konnte damals einfach nicht glauben, dass ich gerade ein Album aufnehme. Und dieses Mal konnte ich nicht glauben, dass ich verdammt noch mal immer noch dabei bin – und es mich noch immer interessiert! In den letzten zehn Jahren habe ich immer mehr Kontrolle über meine Kunst übernommen, etwa wenn es um das Drehen von Videos geht. Das ist viel Aufwand, aber es steckt auch viel Freude darin.
Ist das Album auch klanglich ein Throwback zu dieser Ära deiner Karriere?
Murphy: Die Verspieltheit hat auf jeden Fall etwas von „Tight Sweater“, aber auch von meinem ersten Soloalbum „Ruby blue“, das Matthew Herbert produziert hat. Der Sound hat da eine besondere, einzigartige Textur. Und bei Koze ist das ähnlich: Du musst nur einen Schnipsel seiner Musik hören, um zu wissen, dass sie von ihm ist. Er und ich haben beide sehr empfindliche Ohren. Es gibt eine Menge Klänge in der Welt, die wir nicht mögen.
In diesen Zeiten fröhliche Musik zu schreiben, muss auch eine Herausforderung sein.
Murphy: Ich mache generell immer das, was mich im Moment besonders herausfordert. (lacht) Ich versuche, immer die Wahrheit zu sagen – aber alles, was gleichzeitig wahr ist. Ich bin verliebt, ich bin fröhlich, ich bin verwundbar, ich verliere die Kontrolle, ich habe keinen freien Willen, und dann sage ich fuck it. Ich versuche mit meiner Musik nicht, Probleme zu lösen, ich erkunde sie nur. Ich lebe für das Abenteuer.