Nähe durch Distanz
Schon vor langer Zeit ist Christopher von Deylen alias Schiller aus Berlin weggezogen. Trotzdem hat er der Stadt jetzt ein ganzes Boxset gewidmet.
Christopher, dein letztes Album „Colors“ ist gerade mal ein paar Monate alt. Hat der Lockdown etwas mit dieser Produktivität zu tun?
Christopher von Deylen: Zum Glück gibt ja im Leben keine B-Probe (lacht); deswegen kann ich nicht sagen, ob das Schiller-Album auch ohne die sogenannten „besonderen Umstände“ im selben Zeitrahmen entstanden wäre. Aber es gibt Momente, bei denen man im Studio so versunken ist, dass man die Welt um sich herum vergisst. Und das scheine ich im letzten Jahr sehr genossen zu haben. Auf jeden Fall bin ich dankbar dafür, dass ich im Moment Tag und Nacht Musik machen kann.
Was war der Anlass, ausgerechnet im Februar ein Boxset namens „Summer in Berlin“ herauszubringen?
von Deylen: Das ganze Projekt hat mit einen Konzertfilm aus dem Jahr 2019 angefangen, dem Abschlusskonzert meiner Arena-Tour. Als zweites kam das absolute Gegenteil dazu: eine Elektroniksession in einem Berliner Klub mit Thorsten Quaeschning von Tangerine Dream. Beide Performances haben im Sommer in Berlin stattgefunden, die Schauplätze sind nur zehn Minuten zu Fuß voneinander entfernt. Und doch sind sie sehr kontrastreich: Hier das große Breitwandkino in der Arena, dort der minimalistische Elektronik-Klub. Diese Gegensätze machen für mich auch Berlin aus.
Man kann dich als ehemaligen Wahl-Berliner bezeichnen. Was ist heute deine Beziehung zur Hauptstadt?
von Deylen: Manche Dinge kann man erst aus der Ferne richtig erfühlen. Ich habe wirklich lange in Berlin gelebt, fast 15 Jahre. Oft treten die Dinge, die man jeden Tag um sich hat, in den Hintergrund und bedeuten einem nichts mehr. So ging es mir irgendwann mit Berlin, weshalb ich der Stadt Lebewohl gesagt habe. Nur um dann festzustellen, dass ich auf einmal, aus der Entfernung betrachtet, ihren Geist und ihre Möglichkeiten ganz anders wahrgenommen habe. Nähe durch Distanz: Ich weiß mittlerweile, dass es mir guttut, Berlin immer mal wieder fernzubleiben, um es richtig schätzen zu können.
Der Titelsong „Summer in Berlin“ stammt ursprünglich von Alphaville.
von Deylen: Das gehört zu diesen traumhaften Zufällen: Erst Monate, nachdem der Titel feststand, habe ich gemerkt, woran der mich eigentlich die ganze Zeit erinnert! (lacht) Das Debütalbum von Alphaville habe ich 1984 als 13-jähriger Teenager so oft gehört, dass ich mir die Vinyl ein zweites Mal kaufen musste, weil die Nadel keinen Halt mehr gefunden hat. Und mein absoluter Lieblingstrack war eben „Summer in Berlin“. Für mich hat Berlin damals eine unerreichbare Exotik in sich getragen. Es war eine sehr große Ehre, dieses Stück mit Alphaville in eine neue Version zu bringen
Gibt es noch andere popkulturelle Befassungen mit Berlin, die dich inspiriert haben?
von Deylen: Natürlich ist die für mich stilprägende Musik die Berliner Schule der 70er-Jahre mit Bands wie Tangerine Dream. Für mich ist das der Urknall, was pure elektronische Musik angeht. Da schließt sich auch der Kreis zu meiner Show mit Thorsten Quaeschning: Wir haben beschlossen, gemeinsam ein Album zu machen. Im Frühjahr werden wir uns im Studio einschließen.
Summer in Berlin erscheint am 12. Februar.