„Schwarzes Gold“ im Ersten: Wildwest in Wietze
Der große Ölrausch in der Lündeburger Heide: Im Ersten und in der ARD-Mediathek kann jetzt die Serie „Schwarzes Gold“ gesehen werden.
Regisseuring Nina Wolfrum hat mit „Mord auf dem Inka-Pfad“ eine äußerst spannende True-Crime-Serie an den Start gebracht, und ihr über mehrere Generationen reichendes Familiendrama „Gestern waren wir noch Kinder“ war perfekt mit Elementen des Thrillers angereichert. Regisseur Tim Trachte hat mit „Drift – Partners in Crime“ gezeigt, wie man es in deutschen Actionserien ordentlich krachen lassen kann. Gemeinsam haben die beiden jetzt eine Serie über den Ölboom in der Lüneburger Heide zu Beginn des 20. Jahrhunderts gedreht. „Schwarzes Gold“ läuft im Ersten und kann in der ARD-Mediathek gestreamt werden. Die Kritiken in der vergangenen Woche waren vernichtend – zu Recht.
Am Beispiel ganz bestimmter historischer Momente mit Serien in die Vergangenheit zu gehen, ist seit Jahrzezhnten weit verbreitet. In Deutschland war es vor wenigen Jahren die Münchner Wiesn, die mit „Oktoberfest 1900“ in der ARD sehr zum Unwillen der Münchner Wirte ein kriminelles Denkmal gesetzt bekam. Die Serie war kurzweilig, spannend und mit viel echtem historischen Lokalkolorit aufgepeppt. Nach Berlin ging es mit der Verfilmung von Volker Kutschers Kriminalromanen um den Ermittler Gereon Rath. „Babylon Berlin“ bringt nicht nur die Unterwelt der 1920er Jahre ins Bild, die Serie zeigt auch den Aufstieg des Nationalsozialismus und ist damit der ernsthafte Versuch, die deutsche Gesellschaft an ihrem Kipppunkt ins Faschistoide zu zeigen. 2026 wird die fünfte und letzte Staffel mit dem Ende der Weimarer Republik im Ersten ausgestrahlt. Dass „Schwarzes Gold“ da schon thematisch nicht mithalten kann, ist klar. wie wenig die Serie aber im Vergleich zu „Oktoberfest 1900“ abschmiert, ist erschütternd.

In „Schwarzes Gold“ werden die Verwerfungen und Brüche, die gegen 1900 mit dem Aufkommen des Ölbooms das Leben der Bevölkerung in der Lüneburger Heide einmal komplett auf den Kopf stellten, am Beispiel zweier Familien durchgespielt. Wilhelm Pape (Tom Wlaschiha, „Yunan“, „Das Boot“) ist der böse Viehbauer, der nach anfänglichem Zögern alle kriminellen Formen vom Betrug über Mord bis hin zur Bestechung der Polizei anwendet, um der Ölbaron von Wietze zu werden. Wie wenig er dabei auf seinen Sohn Richard (Aaron Hilmer, „Luden“) und dessen Pläne Rücksicht nimmt, wird schon in der ersten Folge des Scchsteilers klar. Richard empfindet eine lang unausgesprochene Liebe zu Johanna Lambert (Harriet Herbig-Matten, „Maxton Hall“, „Where’s Wanda?“), womit auch schon die zweite Familie eingeführt ist: Die Lamberts können kaum von ihren landwirtschaftlichen Erträgen leben und sind deshalb auf Johannas Erwerbstätigkeit im Dienste eines größeren Landwirts angewiesen. Dass sie einen Wald besitzen unter dessen Grund möglicherweise große Ölvorkommen liegen, wird in der Folge zur treibenden Kraft der Handlung. Das klingt alles gut und spannend und ist auch solide mit einem Score von Hans Zimmer unterlegt, doch: Weder sind die Dialoge irgendwie glaubwürdig geschrieben, noch als wesentlicher Faktor für die Fortentwicklung der Handlung nachvollziehbar. Von Regisseur Tim Trachte kann man diese Leistung nicht verlangen, seine Stärken liegen in der Action. Warum aber Nina Wolfrum das Drehbuch von Headautor Justin Koch nicht in den Griff bekam, der bisher vor allem mit Kurzfilmen bekannt wurde, bleibt ein Rätsel. Und dann war ja noch die Redaktion der ARD, die so stolz auf die Serie ist.
Die Serie hat, um noch zwei Beispiele aus dem gesamten Ensemble zu nennen, wirklich gute Schauspielerinnen aufzuweisen: Lena Urzendowsky („In die Sonne schauen“) spielt Richards Schwester Luisa, die sich die gesamte Handlung über gegen eine Zwangsheirat mit einem weiteren Großbauern mehr naiv als schlau wehrt, auch mit Jessica Schwarz („Blackout“, „Das Kanu des Mannitu“) als Johannas Mutter Martha ist eine hervorragende Besetzung geglückt. Auch ein US-Investor mischt zwischendurch noch kräftig mit und sorgt für wechselnde Alianzen. Doch der Familienzwist zwischen den Lamberts und den Papes ist so steif und unglaubwürdig inszeniert und auch – trotz der Ausweitung aufs ganze Dorf in der Heide – so redundant angelegt, dass man gegen Ende Tim Trachtes Showdown in Form einer völlig unglaubwürdigen Schießerei auf dem Fördergelände und weiterer Tötungen herbeisehnt, so wenig sie auch mit der echten Historie in dem Dörfchen Wietze zu tun haben. Man will halt einfach nicht mehr zuhören, sondern zu einem Ende kommen.