Sziget 2022: Hitze, Staub und gute Vibes
Halbzeit beim Sziget-Festival: Trotz ausbleibender Hilfe der Regierung hat das Team ganze Arbeit geleistet. Am Samstag gibt es einen Querschnitt durch die ungarische Musik – und viel EDM.
Es ist Samstag auf dem Sziget 2022 – das bedeutet: Halbzeit. Drei von drei Tagen sind vorbei, drei sind noch übrig. Nach einem vollen Freitag zeichnet sich schon früh am Tag ab, dass auch der Samstag wieder enorm erfolgreich sein wird. Wobei wir zunächst auch über die weniger erfolgreichen Aspekte des Festivals zu hören bekommen – im Rahmen einer Pressekonferenz. Für Leute wie mich, die 2022 zum ersten Mal überhaupt dabei sind, mag es nicht auffallend sein, aber Veteran:innen haben bemerkt, dass die Deko deutlich weniger imposant ist als sonst. Ja, geben die Organisatoren zu, natürlich hat die Pandemie Spuren hinterlassen, vor allem, weil die Regierung der ungarischen Kulturszene – anders als etwa in Deutschland – nicht geholfen hat. Die Inflation tut das Übrige, sodass das Sziget weit weniger Geld zur Verfügung hat als gewünscht. Und da man nicht an der Infrastruktur sparen wollte, hat es eben die Dekorationen getroffen.
Sziget 2022: The Show must go on
Ein weiteres Problem, das mit jedem Tag deutlicher wird: das Wetter. Es ist heiß, es ist trocken, und nach einigen Stunden spürt man den Staub in Nase und Rachen. Das Gras erinnert vielerorts eher an Stroh. Wie Programmdirektor József Kardos treffend bemerkt: „Die Insel ist nicht grün, sie ist gelb.“ Das sei aber auch schon vor Wochen so gewesen und habe mit dem Festivalteam nichts zu tun. Der Klimawandel – auch auf der Insel der Freiheit lässt er sich nicht ignorieren. Während der Konferenz gibt es auch Neuigkeiten zu einer Akrobatin, die sich am Vortag während einer Show im Cirque du Sziget verletzt hat. Sie ist im Krankenhaus, wo versucht wird, ihr Bein zu retten. Im Zirkus gilt „The Show must go on“ – die Peformer:innen haben beschlossen, den Betrieb wieder aufzunehmen.
Soviel zu den Problemen, die das Sziget 2022 plagen. Auch sie müssen der Fairness halber erwähnt werden, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der Festivals ausmachen. Denn so vieles klappt ja wunderbar, auch am Samstag. Wer wie ich zum Beispiel das Gefühl hat, bisher der heimischen Musikszene nicht genug Zeit gewidmet zu haben, bekommt mit der ersten Show auf der Main Stage eine Art Querschnitt geliefert. Das Kollektiv Random Trip bietet dabei ein spannendes Konzept: In Kollaboration mit verschiedenen Gästen gibt es improvisierte Stücke. Leiter ist der Drummer Jávor Delov, der an diesem Tag knapp zwanzig Acts auf die Bühne holt, die von Rock über Soul bis zu HipHop reichen. HipHop gibt es auch aus Südafrika: Yugen Blakrok macht Old-School-Rap, neben ihrem DJ hat sie auch einen Trompeter auf der Bühne, der für angenehm jazzige Vibes sorgt.
Witze mit Lewis Capaldi, Tanzen mit Calvin Harris – und Sevdaliza
Auf der Hauptbühne tritt später Lewis Capaldi auf, dessen intensive Balladen mit seinem schottisch-schroffen Humor kontrastieren. Die meisten Witze richten sich allerdings gegen sich selbst – beim letzten Auftritt auf dem Sziget im Jahr 2018 (oder 2017? er weiß es nicht mehr) sei er noch viel schlanker gewesen, so Capaldi. Und eigentlich sollte er bei seiner Rückkehr ein neues Album fertig haben, doch dazu sei er noch nicht gekommen, denn er habe im Lockdown zu viel masturbiert. Dann stürzt er sich in den nächsten Herzschmerz-Song.
Danach sorgt Superstar-DJ Calvin Harris für tanzbare Vibes. Doch wer sich auf EDM freut, muss gar nicht so lange warten, denn schon zuvor gibt es eine der spannendsten Shows des Tages. Die iranisch-niederländische Künstlerin Sevdaliza beginnt ihr Konzert relativ traditionell – mit Drummer, Synthesizer-Spieler und Cellist, sie selbst am Mikro. Doch 20 Minuten vor Schluss trägt ihre Crew ein Mischpult auf die Bühne, und Sevdaliza legt ein kurzes DJ-Set hin, das tanzende Massen ins Freedome-Zelt zieht. Die können danach direkt weiter zu Calvin Harris ziehen, oder zum Samsung Colosseum, aus Holzpaletten gebaut. Dort läuft täglich ab 12 Uhr mittags bis in die frühen Morgenstunden reine Tanzmusik.
Mehr Informationen findet ihr wie immer auf der Webseite vom Sziget.