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Tango on fire

Vincent Peirani und Emilie Parisien
(JP Retel / ACT)

Als Teenie hat der Akkordeonist Vincent Peirani den Tango gehasst. Doch im Verbund mit Emilie Parisien erkundet der Franzose bei dieser Musik jetzt ganz andere Gefühlslagen.

Vincent, du hast Jazz und Klassik studiert, aber dein neues Duo-Album mit dem Sopransaxofonisten Emilie Parisien greift vor allem auf ein Tango-Repertoire zurück. Wann hast du diese Musik erstmals gehört?

Vincent Peirani: Ich war vielleicht zwölf Jahre alt – und ich mochte es überhaupt nicht. Für mich war es die Musik der Vergangenheit. Es hatte nichts mit dem zu tun, was ich damals gehört habe: Ich war Fan von Rock und Grunge, und mein Vater, der mich zum Akkordeon gebracht hat, erzählt mir was vom Tango! Ich war damals zu sehr on fire, um diese Musik zu spielen. Ich weiß noch, wie mein Großvater sich hinter mich gestellt und gesagt hat: Vincent, du spielst gut, du könntest ein großartiger Musiker werden. Aber du hast keine Ahnung, wie man Tango spielt. Hör deinem Vater zu!

Und jetzt magst du diese Musik?

Peirani: Ja, ich bekomme bei vielen Stücken eine Gänsehaut. Aber mein Vater konnte einiges von Astor Piazolla nicht hören, ohne zu weinen. Tango ist historisch und soziologisch stark verortet. Es ist die Musik der Migranten, denen nicht vergönnt war, sich auszudrücken, weil sie fern der Heimat waren – also haben sie sich heimlich getroffen und getanzt. Es war aber nicht bloß Partymusik. Die Leute, die den Tango geprägt haben, hatten kein leichtes Leben, und das steckt in der Musik. Das kann man fühlen.

Euer Album heißt „Abrazo“. Was bedeutet das?

Peirani: Abrazo ist einer der wichtigsten Tango-Ausdrücke, er beschreibt die Art, wie ein Tänzer den anderen hält. Und es ist natürlich spanisch für „Umarmung“ Mein Duo-Partner Emile Parisien und ich kennen uns nun seit fast zehn Jahren. Wir hoffen natürlich, dass das Album auch den Zuhörer umarmt.

Der letzte Song des Albums ist ein Cover: „Army Dreamers“ von Kate Bush. Was magst du an ihr?

Peirani: Ich mag sie, weil sie so verrückt ist. Sie ist completely nuts! Hast du das Video zum Song gesehen? Wow. Sie macht darin ihre innere Welt offenbar, das hat mich umgehauen! Ich habe alle ihre Alben und war auf etlichen ihrer Konzerte. Ich mag die Melodien, die Arrangements, und ich habe so viele ihrer Songs transkribiert. Ich habe ihre Lyrics und ihre Biographie studiert. „Army Dreamers“ hat mit dem Rest des Albums nicht viel zu tun – aber vielleicht ist es ja ein Ausblick auf unser drittes Album?

In Frankreich war der Lockdown besonders streng. Hatte diese Zwangspause auch gute Seiten?

Peirani: Ich toure seit zehn Jahren wie verrückt. Mein Kopf und mein Körper haben diese Pause gebraucht. Wenn ich jetzt das Akkordeon zur Hand nehme, fühlt es sich wieder aufregender an, auch wenn ich mich ein wenig rostig fühle. Vielleicht bin ich auch weiser geworden. Das ist nur so ein Gefühl. Ich bin dieses Jahr 40 geworden, und bin nicht mehr der junge Löwe. Aber alt bin ich noch nicht. Irgendwo dazwischen.

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