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Dem Ukraine-Krieg mit Musik trotzen? Kalush Orchestra holen sich den ESC-Triumph

Die ukrainische Gruppe ist trotz des Krieges, der in ihrem Land tobt, für einen Auftritt zum Eurovision Song Contest (ESC) nach Turin gereist – und hat damit auch ein politisches Zeichen gesetzt.

  • Mit dem Folklore- und Pop-Rap-Song „Stefania“ wurde die Ukraine beim Eurovision Song Contest (ESC) 2022 als großer Favorit gehandelt.
  • Update: Im Live-Finale des 66. ESC hat das Publikum die Jurys überstimmt. In der Nacht zum 15. Mai hat die Ukraine das ESC-Finale gewonnen!

„In schwierigen Zeiten für unser Land werden wir unsere Präsenz in der ganzen Welt bekannt machen. Wir sind also bereit, die Ukraine in ganz Europa zu vertreten“, erklärte der Leadsänger vom Kalush Orchestra auf der Homepage des ESC, als die Band nach dem Rücktritt der ursprünglich gewählten Alina Pash vom Organisationskomitee nachnominiert wurde. Sie wollen mit dem Titel „Stefania“ teilnehmen. Die Teilnahme verdeutlicht, welche Bedeutung der ESC für die Ukraine hat. Doch wer sind eigentlich die Künstler, die hinter dem Kalush Orchestra stecken, und ist ein Auftritt beim Finale am 14. Mai angesichts des Krieges wirklich so wahrscheinlich?

In einem Video auf der Instagram-Seite der Formation nahm Sänger Oleg Psyuk dazu Stellung, dankte dem ESC-Komittee für ihre Unterstützung und erklärte: „Wir bereiten uns so gut wie möglich vor und geben alles, um unser Land bestmöglich zu vertreten.“ Neben Psyuk besteht die Band „Kalush“ aus dem Musiker Ihor Didenchuk sowie Rapper und DJ Danyil Chernov. Zum Auftritt als Kalush Orchestra beim ESC gesellen sich Musiker Tymofii Muzychuk und Beatboxer Vitalii Duzhyk hinzu. Die Gruppe ist nach der Heimatstadt von Frontmann Psyuk, „Kalusch“, in der West-Ukraine benannt.

Mit ihrer Mischung aus folkloristischen Klängen, die auf Hip-Hop-Vibes treffen, die immer wieder durch gefühlsstarke Gesangsequenzen gekreuzt werden, liegen die Musiker mit ihrer Soundmischung genau in dem Bereich, der einen Großteil des ESC-Publikums begeistern dürfte. Im weitesten Sinne ist das Populärmusik, die aus einer Mischung entsteht, die eingängig und dennoch individuell genug ist, um im Ohr zu bleiben.

Erst an die Front, dann auf die Bühne?

Zwei der Bandmitglieder werden, laut des wegen der ESC-Teilnahme viral gegangenen TikTok-Accounts der Band, aber anscheinend vorher noch an der Front dienen. Verschiedene Medien berichten das ebenfalls. Wer so eine direkte Verbindung zwischen Pop-Welt und Kriegsfront zieht, muss sich zumindest im hiesigen ESC-Rummel gefallen lassen, auch als potenzielle Hoffnungsträger kritisch beäugt zu werden.

@kalush.officialЯк звати супергероя, хто знає?Kalush Orchestra) – KALUSH“ href=“https://www.tiktok.com/music/Stefania-Kalush-Orchestra-7060154433442859010″ target=“_blank“ rel=“noopener“>♬ Stefania (Kalush Orchestra) – KALUSH

Der Musikexpress schreibt dem enormen Solidaritäts-Zirkus in der Kultur- und Musikbranche und damit dem „Pop im Kriegsfall“ sogar eine ganz bestimmt Rolle zu: „Das Einzige, was zu helfen scheint, ist Trotz.“ Dass die bunte Pop- und Live-Kultur im dritten Jahre der Coronapandemie weiter ausdörrt, „könnte all den schlechten Menschen so passen. Kein Bock mehr auf diese lähmende Passivität“, heißt es in der Kolumne. Der Spiegel titelt online sogar: „Buchmacher sehen Ukraine beim ESC vorne“ und erklärt die Nachrücker zu Favoriten, da sie aktuell die Ranglisten der Wettbüros anführten. Eins ist zwischen den Meinungen und gemischten Gefühlen aber sicher: Der ESC wird in diesem Jahr wohl so politisch wie nie werden.

Was ist vom ESC als Sprachrohr für Acts aus Konfliktregionen zu erwarten?

Wer zu dem Song mitwippt oder den Songtext grölt, sollte sich vor dem Hintergrund der Kriegssituation in der Ukraine aber auch vor Augen halten, dass es hier um mehr als eine eingängige „Mama Stefania“-Hook geht. Trotzdem sollte sich kein:e Zuschauer:in gezwungen fühlen, das ESC-Spektakel mit einem schlechten Gefühl im Bauch anzusehen. Denn Popkultur hat neben der unterhaltenden Rolle auch immer schon eine gesellschaftliche Funktion, oder wie Diederichsen es sagen würde: „Pop-Musik ist immer so gut wie die Fragen, die zu stellen sie ermöglicht.“

 

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Update, 15. Mai 2022: Ukraine entscheidet ESC-Finale für sich

Mit ihrem Folklore- und Pop-Rap-Song „Stefania“ hat die ukrainische Band „Kalush Orchestra“ den Eurovision Song Contest 2022 für sich entscheiden können.

Mit 631 Punkten hat die Gruppe vor Großbritannien und Spanien gewonnen. Deutschland ist auf dem letzten Platz gelandet.

Die Gewinner performten sogleich noch einmal ihren Song, ließen sich von der Menge in Turin feiern und riefen „Ukraina, Ukraina!“ und „Slawa Ukraini!“.

 

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