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„Und draußen die Nacht“: Aldo Moros Ermordung auf Arte

Und draußen die Nacht Serie Arte Arte-Mediathek
Zur ARTE-Sendung Und draußen die Nacht (1/6) Italien, 1978: Die politischen Spannungen führen immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen den Kommunisten und der Polizei. (Foto: ARTE F / © Anna Camerlingo)

Die Serie „Und draußen die Nacht“ auf Arte und in der Mediathek zeigt die Unruhen 1978 in Italien und der Ermordung des Politikers Aldo Moro.

Kaum eine Tat hat wohl so viele politische Kontroversen, Verschwörungsmythen und eine solche Spaltung in einer Gesellschaft verursacht wie die Entführung und Ermordung des Parteivorsitzenden der konservativen italienischen Partei Democrazia Cristiana, Aldo Moro, im Jahr 1978. Der Regisseur Marco Bellocchio  hat mit der Serie Und draußen die Nacht nicht nur einen Thriller über die Monate von März bis Mai 1978 gedreht, sondern gleichzeitig auch ein Psychogramm der verantwortlichen Regierungsmitglieder, die Aldo Moro (Fabrizio Gifuni) im Sinne der Staatsraison opfern, erstellt, er hat aber auch ein Bild der zunehmen verzweifelter agierenden Familie Aldo Moros gezeichnet und einen Blick in die Strukturen der Terrororganisation der Roten Brigaden geworfen. Heute, einen Tag bevor sich die Entführung zum 45. Mal jährt, strahlt Arte die Serie aus. Außerdem kann sie in der Arte-Mediathek gestreamt werden.

Regisseur Marco Bellocchio hat sich längst als Filmregisseur einen Namen gemacht, mit Isabelle Huppert zusammengearteitet, bereits 2011 bei den Filmfestspielen von Venedig die Goldene Ehrennadel für sein Lebenswerk erhalten. 2021 kam dann auch noch die Goldene Ehrenpalme in Cannes dazu. Bellocchio ist für sein ästhetisch kompromissloses Filmen bekannt, unabhängig vom jeweiligen Thema. In Und draußen die Nacht geift er eines der größten italienischen Traumata auf, das im italienischen Film schon so oft verarbeitet wurde, aber oft verbunden mit Vermutungen über internationale Verwicklungen oder Verschwörungen. Bellocchio tut das nicht, sondern konzentriert sich auf innenpoltische Themen. Aldo Moros Versuch, mit einer großen Koalition der Democrazia Cristiana mit der kommunistischen Partei PCI und den Sozialisten der PSI  innenpolitische Stabilität herzustellen, stieß in der Zeit nicht nur auf starke Gegnerschaft innerhalb der eigenen Partei. Nur Papst Paul VI. (Toni Servillo, „Loro – Die Verführten“), ein Studienfreund Aldo Moros, untersützt ihn in seinem Vorhaben, wenn auch sehr zurückhaltend. Auf der anderen Seite steht die kommunistische Partei, die diesen historischen Kompromiss ebenfalls vor ihrer Wählerschaft verantworten muss.

Mitten in dieser Gemengelage – Aldo Moro wird sogar in seinen Seminaren als Jura-Professor von Mitgliedern der Roten Brigaden angegriffen – sehen vor allem die linken Terroristen diese sich anbahnende Koalition als Verrat an der Arbeiterklasse. Ihr Weg: Mit der Entführung und Tötung des Initiators, des Chefs der DC, alles zu Fall zu bringen. Am Morgen des 16. März kopieren sie den Hinterhalt von der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer in Deutschland durch die RAF, bringen alle Personenschützer und Fahrer um und entführen Aldo Moro.

Die Serie Und draußen die Nacht zeigt minutiös und aus unterschiedlichen Blickwinkeln, wie es zum unheilbaren Bruch zwischen der Familie Moro und der Democrazia Cristiana kam. Während die erste Folge den später Entführten in seinem politischen Amt, in der Familie und als gläubiger Katholik sowohl beim Kirchgang als auch im Gespräch mit dem Papst zeigt, konzentrieren sich die weiteren vier Folgen auf Innenminister Cossiga (Fausto Russo Alesi), auf die Familie um Aldo Moros Gattin Eleonora (Margherita Buy), die Diskussion innerhalb der Roten Brigaden und um die Versuche des Papstes, Aldo Moro mit Milliarden von Lira freizukaufen. In der finalen sechsten Folge, die an den beiden letzten Tagen der Entführung spielt, führt die Serie wieder alle Handlungsstränge zusammen.

Dann wird auch aufgelöst, warum die Serie Und draußen die Nacht damit beginnt, dass Aldo Moro nicht ermordet wurde, sondern lebend im Renault 4 liegend freigelassen wird. Lässt Regisseur Marco Bellocchio den sehnlichsten Wunsch des Großteils der damaligen italienischen Gesellschaft fiktional Wirklichkeit werden? Oder treibt er nur ein Spiel mit den unerfüllbaren Wünschen der Akteure – vom Papst über den Innenminister bis zur Familie Moro? Dass der damalige Ministerpräsident Giulio Andreotti hier im Text nicht weiter vorgestellt wird, hat übrigens Gründe: Seine Handlung beschränkt sich in der Serie darauf, während der Entführung täglich auf sein Eis zu verzichten. Er wird später der Hauptgrund dafür sein, dass der gläubige Christ Aldo Moro unwiderruflich mit seiner christlichen Partei bricht und in seinem letzten Wunsch keinen Politiker zur Beerdigung zulässt.

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