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VHS- und Horror-Nostalgie: „Video Nasty“ in der ARD

Die drei Youngster (v.l.n.r. Justine Daniel Anene, Leia Murphy und Cal O’Driscoll) auf dem Weg nach Mittelengland – auf der Suche nach dem letzten Video für ihre Kollektion.
Die drei Youngster (v.l.n.r. Justine Daniel Anene, Leia Murphy und Cal O’Driscoll) auf dem Weg nach Mittelengland – auf der Suche nach dem letzten Video für ihre Kollektion. (Foto: WDR/Deadpan Pictures/Madeline Mulqueen)

In den 80er-Jahren wurde eine Liste von 72 sogenannten „Video Nasties“ veröffentlicht. Diese Horrorfilme galten als zu obszön und wurden indiziert. In der ARD-Serie „Video Nasty“ jagen drei Jugendliche diesen Filmen nach und geraten dabei in einen gruseligen Mordfall.

Dass in den 80er-Jahren Horrorfilme regelrechte Panik hervorrufen konnten, dass immer wieder Filme indiziert und nur unter der Hand weitergereicht wurden, ist im digitalen Zeitalter, in dem das nächste brutale Video nur einen Mausklick entfernt ist, kaum noch vorstellbar. Maskierte Kettensägen-Männer in Texas lösen da nur noch für einen lauen Schauer aus. Die 70er- und 80er-Jahre gelten hingegen als das goldene Zeitalter des Horror-Genres – und die von der BBC und ARD koproduzierte Comedy-Drama-Serie „Video Nasty“ (ab sofort in der ARD-Mediathek) ist eine sechsteilige Verbeugung vor ebenjener Zeit des schaurig schönen Grusels.

Was wir heute als gemütlichen Grusel begreifen, galt also noch bis spät in die 80er-Jahre hinein als gefährlich. Und 1985 fand die behördliche Jagd nach den sogenannten „Video Nasties“ in Irland und Großbritannien ihren Höhepunkt. Genau das Jahr, in dem „Video Nasty“, die Geschichte um die drei kurz vor dem Schulabschluss stehenden Dubliner Jugendlichen Billy (Justine Daniel Anene), Zoe (Leia Murphy) und Con (Cal O’Driscoll), ihren Lauf nimmt.

„Video Nasty“: Ab sofort in der ARD-Mediathek

72 Filme wurden von der Staatsanwaltschaft auf eine Schwarze Liste gesetzt: jugendgefährdend, zu brutal. Eine bessere Promo für den Schwarzmarkt dieser Horrorstreifen kann es eigentlich nicht geben. Und weil Billy und Con bereits 71 der verbotenen Filme in ihrer Sammlung haben, ist die Mission eindeutig: Sie müssen irgendwie an diesen letzten Film kommen. Hilfe versprechen sich die beiden Nerds und besten Freunde von Billys – wir erinnern uns: ’85, kein Handy, kein WhatsApp – Brieffreundin aus Ashdale, Mittelengland. Die Reise dorthin organisieren sie mit dem gesammelten Geld aus dem Abschlussball-Fonds, und Cons Schwester Zoe begleitet sie kurzerhand auf der Reise. Und kaum in England angekommen, werden die drei Teenager in einen Mordfall verwickelt, der erstaunliche Horror-Parallelen aufweist.

Und überhaupt pfeffert einem die Serie die Referenzen und Anspielungen nur so um die Ohren: „Suspiria“, Halloween“, „Omen“, „Tanz der Teufel“, „Freitag der 13.“ und und und – ein Horrorfilm-Zitat jagt das nächste, was für alle, die in den 80er-Jahren selbst die Liebe zum Horror entdeckt haben, eine reine Freude sein dürfte. Zumal die Serie auch sonst nicht an 80er-Jahre-Nostalgie zwischen Adam And The Ants, VHS-Romantik und einem Videothekar mit dem 80er-Jahre-Klischee-Spitznamen TJ spart, was immer wieder seicht an die Netflix-Erfolgsserie „Stranger Things“ erinnern lässt – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied.

Denn so wirklich übernatürlich will es in „Video Nasty“ nie so richtig werden. Allein die Prämisse ist bereits ganz und gar an der Wirklichkeit und den echten Verboten der „Video Nasties“ aufgehängt, Inspiration hat sich die Serie bei echten Kriminalfällen jener Zeit gesucht, und subkutan verhandelt sie die irische und englische Gegenwart der 80er-Jahre: die zerrüttete britisch-irische Beziehung, die IRA, Rassismus, das Erstarken des Konservatismus. Zeitkolorit auf allen Ebenen. Und eine kritisch-reflexive Haltung zu den Horrorfilmen der Zeit gönnt sich die Serie auch noch. So wird etwa kein Hehl daraus gemacht, dass einige der genannten Filme einen bizarren Femizid-Faible hatten.

TJ (Kevin McGahern) zeigt seine Sammlung.
TJ (Kevin McGahern) zeigt seine Sammlung. Foto: WDR/Deadpan Pictures/Madeline Mulqueen

Beim Versuch, all diese Themen in die knapp 30-minütigen Folgen zu quetschen, überhebt sich die neue Produktion der Initiative „FabFiction“ mitunter etwas. Und so ist der charmante Genre-Mix aus Thriller, Horror, Comedy und Coming-of-Age, der sie einem sehr breiten Publikum zugänglich machen dürfte, zugleich auch eine der großen Schwächen der sechsteiligen Serie. Fest steht, dass der Sechsteiler unbedingt im Originalton geguckt werden sollte. Lakonische Pointen wie etwa die, als Con und Zoes Vater erfährt, dass sich seine Kinder nach Ashdale aufgemacht haben, meint: „England? Die wollen in ein Land, in dem nur Briten sind?“, machen im Irischen einfach viel mehr Spaß.

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