„Willy – Verrat am Kanzler“: Der große Coup der DDR in Bonn
„Willy – Verrat am Kanzler“ ist eine spannend-komische Dokuserie über den DDR-Spion Günter Guillaume, durch dessen Enttarnung Kanzler Willy Brandt zu Fall gebracht wurde.
Die Dokumentarserie „Willy – Verrat am Kanzler“ steht in der ARD-Mediathek und wird demnächst auch in der ARD ausgestrahlt. Gedreht haben den Vierteiler Jan Peter und Sandra Naumann („Der letzte Flug“).
Zunächst gleich vorneweg: „Willy – Verrat am Kanzler“ ist – anders als der Titel suggeriert – keine langweilige Eloge auf den Kanzler Willy Brand und seinen erzwungenen Rücktritt aufgrund der Spionageaffäre rund ums Kanzleramt im Jahr 1974. Vielmehr ist die Serie nicht nur spannend gemacht, sondern oft auch verdammt komisch. So komisch, wie man heute rückblickend die Situation Anfang der 1970 sehen kann. Und das hat seine Gründe. Der gesamte erste Teil des Vierteilers dreht sich nur in kurzen Momenten um den Kanzler selbst. Meistens erzählen – neben Günter Guillaume selbst übrigens ausschlicßlich Frauen, die meisten von ihnen hatten damals mit Brandt zu tun oder wissen aus beruflichen Gründen über die Materie Bescheid, wie zum Beispiel die DDR-Spionin Lilli Pöttrich – meistens also erzählen Expertinnen über Spionage und Gegenspionnage seit den 1950er-Jahren. Wir erfahren, wie Spioninnen und Spione im Westen vom Ministerium für Saatssicherheit der DDR Informationen und Anweisungen erhielten: über öffentliche Radiofrequenzen kamen Zahlenreihen. Die erste Ziffernfolge – der Funkkopf – definierte die Person, die gemeint war, die weiteren Ziffernfolgen stellten den Inhalt dar. Anfang der 1960er Jahre konnten diese Nachrichten entschlüsselt werden, und da man alle verschlüsselten Nachrichten seit Jahren aufgezeichnet worden waren, konnte man jetzt an die rückwirkende Dechiffrierung gehen. Jetzt musste man zum Beispie nur noch die Nachricht „Glückwunsch zum zweiten Mann“ an eine Person namens G. einer realen Person zuordnen. Doch das dauerte noch mal über zehn Jahre: Als ungefähr 1972 zum ersten Mal die Geburtenregister aus ganz Deutschland abruf war waren, kam man in Verbindung mit der Geburt von Guillaumes Sohn Pierre aus erster Ehe 1957 in die Nähe des Spions im Kanzleramt.
Und jetzt wird es so spannend wie komisch: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, bei dem alles zusammenlief und das Alarm geben musste, denn Guillaume war ja nun enttarnt, informierte zunächst Innenminister Hans-Dietrich Genscher. Der aber erfasste die Situation überhaupt nicht in ihrer Deutlichkeit, sondern dachte, es handele sich um einen vagen Verdacht. Erst Monate später wurde Willy Brandt informiert, und auch er erkannte die Brissanz der Lage überhaupt nicht. Der Verfassungsschutz aber spielte auf Zeit, weil er die Dechiffrierung der DDR-Nachrichten nicht öffentlich machen wollte, sondern über Monate andere Beweise für Guillaumes Spionage suchte. Als Brandt im Sommer 1973 mit Familie in sein Ferienhaus nach Norwegen fuhr, fragte er den Verfassungsschutz, ob er als Sekretär Günter Guillaume mitnehmen dürfe. Er erhielt grünes Licht ihne jegliche Einschränkung. Bundesnachrichtendienst und Bundeskriminalamt – beide waren ebenfalls in Norwegen präsent – wussten gleich von gar nichts.
Und so entwickelt die Serie die Geschichte zweier Leben – Günter Guillaume, im Nazideutschland noch der bekennendes Mitglied NSDAP, auf der einen und der Widerstandskämpfer Willy Brandt auf der anderen Seite, der Nazi-Deutschland von Norwegen aus als Soldat bekämpfte. Die Serie zeigt, wie beide Leben zueinanderfinden zu einem Zeitpunkt, da Guillaume längst „Kundschafter des Friedens“ im Westen war, seit er 1956 während der immer größeren Fluchtbeweung aus der DDR im Auftrag des Amtes für Staatsicherheit gemeinsam mit seiner Frau in den Westen ging und so ein glaubwürdiger BRD-Bürger wurde, der 1957 Mitglied der SPD wurde, weil die Stasi ihm den Auftrag erteilte. So wird der Aufstieg Willy Brandts mit dem langsameren Aufstieg Günter Guillaumes gegengeschnitten, und auch die Karriere von Christel Guillaume wird nachhaltig in die Serie eingebaut, denn sie hatte nicht nur in den ersten Jahrzehnten ihrer Spionagetätigkeit, sondern, so die Meinung der Historiker, auch später das weitaus bessere Material an die DDR geliefert, denn sie arbeteite in der Saatskanzlei Hessens und hatte Zugang zu hochsensiblen Daten wie Truppenbewegungen der US-Armee.