Yoko Ono in der Kunstsammlung NRW: „Eine mutige und visionäre Frau“
Yoko Ono zählt zu den Pionier:innen der Performancekunst. Mit einer Ausstellung in der Kunstsammlung NRW will Direktorin Susanne Gaensheimer das nicht zuletzt auch jüngeren Besucher:innen vermitteln.
Frau Prof. Dr. Gaensheimer, eine so umfangreiche Ausstellung mit den Werken Yoko Onos ist selten – wie haben Sie das hingekriegt?
Viele unserer Ausstellungen entstehen in Kooperation mit international renommierten Museen, aber auch im Leihverkehr kooperieren wir mit Museen wie dem MOMA oder der Met. Wir haben bereits einige Ausstellungen gemeinsam mit der Tate Modern entwickelt, wie etwa die kürzlich gezeigte Schau von Isaac Julien oder gerade auch die große Retrospektive zu Mike Kelley im K21. Yoko Ono ist eine sehr wichtige Performance-Künstlerin und Friedensbotschafterin. Ihr facettenreiches performatives und poetisches Werk möchten wir vielen Menschen – auch der jüngeren Generation von Museumsbesucher:innen – präsentieren, und dieses Anliegen teilen wir mit der Tate Modern.
Die Ausstellung wird Yoko Onos radikalen Ansatz in Bezug auf Sprache, Kunst und Partizipation beleuchten, der bis in die Gegenwart hineinwirkt. Wie genau sieht Onos Einfluss auf die Kunstwelt aus?
Bereits in den 1950er Jahren schuf Yoko Ono ihre ersten Werke, die sich mit Text, Performance, Film und Musik befasst haben. Sie ist darin eine wahre Vorreiterin und hat maßgeblich zu unserem heutigen Verständnis von Konzept- und Performancekunst beigetragen. Es ist für Yoko Ono immer wichtig gewesen, in einem direkten Austausch mit dem Publikum zu stehen und den Dialog zu suchen. Sie hat auch andere Künstler:innen, Musiker:innen, Tänzer:innen und Dichter:innen sehr unterstützt. Yoko Ono hatte eine wichtige Rolle in der Entstehung der Fluxus-Bewegung inne und ist Teil der Avantgardeszene in New York, Tokio und London in den 1960ern und 1970ern gewesen. Bis heute arbeitet sie mit anderen Künstler:innen zusammen, zum Beispiel bei der Veröffentlichung von neuen Musikalben oder Performances. Dieses konstante Engagement über sieben Jahrzehnte ist beeindruckend
Traurig ist, dass die öffentliche Wahrnehmung von Yoko Ono und ihrer Kunst immer noch stark negativ von der Vorstellung geprägt ist, sie habe die Beatles zerstört. Ist daher jede Ono-Ausstellung auch immer eine Rehabilitation?
„Yoko Ono. Music of the Mind“ zeigt das beeindruckende Œuvre Yoko Onos mit über 200 Werken aus sieben Jahrzehnten. Ich denke, das spricht schon für sich. Es gibt in der Ausstellung auch ein Augenmerk auf ihre Zusammenarbeit mit John Lennon. Die beiden haben zahlreiche Alben aufgenommen und gemeinsam Filme realisiert. Ihre Arbeiten haben oft einen experimentellen Charakter und sprechen ernste Themen an, gleichzeitig ist aber auch spürbar, wieviel Freude die beiden gemeinsam hatten. Sie haben einander sehr inspiriert. Der Text von Lennons Song „Imagine“ ist zum Beispiel klar an Onos frühen Instruktionen angelehnt. Ono hat sich außerdem bewusst entschieden, ihre Medienaufmerksamkeit mit Lennon zu nutzen, um sich für den Frieden einzusetzen. Daraus sind die berühmte Plakatkampagne „War is over! If you want it” und die Friedenshymne „Give Peace a Chance“ entstanden.
Was bedeutet Ihnen die Künstlerin Yoko Ono persönlich?
Yoko Ono ist eine sehr aktive und bedeutende Konzeptkünstlerin, die bereits in den 60iger-Jahren im Umfeld der New Yorker und Tokioer Szene freie Projekte realisiert hat. Wie viele andere Künstlerinnen ihrer Generation wurde sie in dieser Zeit nicht wahrgenommen wie ihre männlichen Kollegen, und ihr Name taucht in vielen Publikationen von damals nicht auf. Ihr Werk ist in einem selbstbewussten Sinne politisch und feministisch und hinterfragt die gesellschaftlichen Hierarchien heute wie damals. Mir persönlich ist es wichtig, dieser mutigen und visionären Frau durch diese Ausstellungskooperation die öffentliche Wahrnehmung zu ermöglichen, die sie schon längst verdient.
Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ist auch international eine der besten Adressen für Kunst des 20. Jahrhunderts. Halten sich der Stolz über das Erreichte und die Motivation, diese Position noch auszubauen, die Waage?Gerade haben wir ja unsere neue Sammlungspräsentation im K20 eröffnet. Ich freue mich sehr, dass wir den Besucher:innen jetzt endlich unsere intensive Arbeit der letzten Jahre vorstellen und sie auf eine Reise durch die globale Kunstgeschichte schicken können. Zu sehen sind mehr als 180 Werke der Klassischen Moderne und der Nachkriegskunst, darunter wegweisende Meisterwerke von Künstlern wie Paul Klee, Henri Matisse, Pablo Picasso, Jackson Pollock und Andy Warhol, sowie Neuerwerbungen bedeutender Künstlerinnen der Moderne wie Etel Adnan, Paula Modersohn-Becker, Gabriele Münter, Alice Neel, Lygia Pape und Werke außereuropäischer Künstler:innen, die wir in den letzten Jahren erwerben konnten. Diese bedeutsame Arbeit an der Erweiterung der Sammlung geht natürlich weiter. Die Herausforderungen unserer Zeit beschäftigen uns natürlich in vielen Bereichen, und wir arbeiten intensiv daran, das Museum weiterzuentwickeln. Es digitaler, nachhaltiger und vor allem als einen Ort zu gestalten, der für alle da ist.
Was haben Sie Großes und Aufregendes vor im Jahr 2025?
Wir starten in das Jahr 2025 mit einer großen Chagall-Ausstellung, die wir gemeinsam mit der Albertina in Wien ausrichten und in der wir das frühe Werk dieses einflussreichen Malers beleuchten. Im K21 zeigen wir die erste Ausstellung seit 1984 der israelischen Künstlerin und Psychoanalytikerin Bracha Ettinger. Gemeinsam mit der Pinault Collection, Paris zeigen wir die bislang umfangreichste Ausstellung der amerikanischen Malerin Julie Mehretu. Die Ausstellung läuft gerade im Palazzo Grassi in Venedig und wird ab Mai 2025 im K21 zu sehen sein. Im Herbst 2024 folgen zwei umfangreiche Gruppenausstellung im K20 und K21, worüber ich aber noch nichts verraten möchte.