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Großes Kino macht A Winged Victory For The Sullen

A Winged Victory For The Sullen haben sich Impulse von einem Golden-Globe-prämierten Filmkomponisten geholt – und ihren Sound verbreitert.

Es mag mittlerweile etwas abgegriffen sein, der Musik von A Winged Victory For The Sullen cineastische Qualitäten zuzusprechen. Andererseits fordern Komponist Dustin O’Halloran und Ambient-Musiker Adam Wiltzie das auch ein wenig heraus. „The undivided Five“ ist ihr zweites reguläres Studioalbum und folgt unter anderem auf das fürs Royal Ballet in London konzipierte „Atomos“ sowie den Soundtrack zum Thriller „Iris“, nachdem O’Halloran bereits 2006 den Score zu Sofia Coppolas Historienfilm „Marie Antoinette“ komponiert hat. Ihr selbstbetiteltes Debütalbum von 2011 war zwar vergleichsweise introspektiv, aber ebenfalls überdeutlich von ihrer Verwurzelung in der Filmmusik geprägt.

Tribut

Den Ausschlag zur musikalischen Ausrichtung von „The undivided Five“ gab dann auch der 2018 verstorbene isländische Musiker Jóhann Jóhannsson, der vor allem für seine Kompositionen für Filme wie „Arrival“ bekannt ist. Nachdem O’Halloran bereits mit ihm kollaboriert und Wiltzie ein Tribute-Konzert für ihn organisiert hatte, wurde das Duo gebeten, einen Remix für Jóhannsson anzufertigen, aus dem eine neue Arbeitsweise erwachsen ist. Mittels modularer Synthesizer und anderer Hilfsmittel haben O’Halloran und Wiltzie die vorhandenen Streicherspuren rearrangiert, in andere Kontexte gesetzt und schließlich zu neuen Stücken geformt. Das klingt dann etwa wie der fast zehnminütige Opener „Our Lord Debussy“, auf dem die Musiker zugleich Jóhannsson und dem titelgebenden französischen Impressionisten Tribut zollen: Ein paar Klavierakkorde formieren sich sanft zu einer Melodie, ändern im weiteren Verlauf mehrmals ihre Klangfarbe – von Dur zu Moll, von dunkel zu hell –, bevor untergründig schwelende Streicher auf ihren Einsatz hinarbeiten.

Bilder im Kopf

Wenn zur Breitwand-Neoklassik schon die Bilder fehlen, sind Kopfhörer und so wenige ablenkende Faktoren wie möglich geboten, um in die Stimmung zu finden, die nötig ist, um den aufs erste Hören nur minimal voneinander abweichenden Klanggebirgen folgen zu wollen. Zumal A Winged Victory For The Sullen die auf dem „Iris“-Soundtrack etablierten elektronischen Texturen zugunsten eines symphonischeren Charakters weitgehend eliminiert haben. Am stärksten ist „The undivided Five“ ohnehin dort, wo die Musiker ihr Soundkonzept erweitern oder aufweichen. Etwa wenn sie im Pianostück „The haunted victorian Pencil“ ein gespenstisches Echo auf Erik Saties „Gnossienne: No 1“ durch das Album schicken oder sich in „Adios, Florida“ eine nervöse, etwas zu schnell gespielte Geige unter die Soundschichten legt, bis diese sie wieder gänzlich verschlucken.

Am Ende steht „Keep it dark, Deutschland“, ein berührender Abschiedsbrief an Berlin, das O’Halloran nach zehn Jahren verlassen hat, um nach Island zu ziehen. Dessen malerische Landschaften liefern auch eher die Bilder, die dieser Musik angemessen sind.

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