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„The Car“ von Arctic Monkeys: Klappe zu, Affe lebt

Bandfoto schwarzweiß Arctic Monkeys
(Foto: Zackery Michael)

Die Arctic Monkeys wollten nie Rockstars sein – und gehören doch zu den größten der Welt. Mit „The Car“ könnten sie dem alten Dilemma entkommen.

Die Arctic Monkeys veröffentlichen mit „The Car“ ihr neues Album. „Don’t believe the hype.“ So lauteten im Jahr 2006 die ersten Worte, die Alex Turner an die Welt gerichtet hat – im Video zur Debütsingle „I bet you look good on the Dancefloor“. Funktioniert hat es nicht: Kurz darauf waren die Arctic Monkeys eine der größten Rockbands des Planeten – und das hat eigentlich nie aufgehört. Insbesondere in ihrer britischen Heimat sind Turner, Jamie Cook, Matt Helders und Nick O’Malley seit langem gewissermaßen die Hausband, die machen kann, was sie will, ohne dass der Hype je ganz verebbt.

Plötzlich gab es Loungepop, Glam und Psych

Selbst, wenn sie sich vom Indierock verabschieden, wie es die Monkeys 2018 mit „Tranquility Base Hotel & Casino“ getan haben. Stattdessen gab es plötzlich Loungepop, Glam und Psych. Jetzt, vier Jahre später, folgt „The Car“. Ein simplerer Titel – bedeutet er auch eine Rückkehr zu einem simpleren Sound? Schon seit der Vorabsingle „There’d better be a Mirrorball“ war klar, dass die Antwort nein lautet. Die Band bleibt der neuen Richtung treu und liefert zehn Songs, die ein breites Spektrum abdecken: Bond-Soundtrack, Exotica, Funk – doch die Gitarrenriffs bleiben in der Vergangenheit.

Für Alex Turner selbst gibt es allerdings durchaus Unterschiede zum Vorgänger. „Beim letzten Album gab es ein Gefühl des Experiments, das bei diesem hier wohl weniger ausgeprägt ist“, sagt der Sänger, Gitarrist und Songwriter. „Es ist natürlich.“ Wo „Tranquility Base“ ausschließlich am Klavier geschrieben wurde, sind manche der neuen Songs auf der Gitarre entstanden, in Zusammenarbeit zwischen Turner und Cook. Und während die letzte Platte als loses Konzeptalbum über die gleichnamige Mondbasis strukturiert war, fehlt „The Car“ ein solcher roter Faden; alles ist ziemlich vage. „Im Hintergrund gibt es eine riesige Produktion“, so Turner. „Das Gefühl, dass wir etwas erschaffen. Was wir natürlich tun: Wir machen ein Album. Aber ich würde nicht sagen, dass es darum geht.“

„The Car“ von Arctic Monkeys: Es fällt schwer, nicht an Alex Turners ewiges Hadern mit seinem Dasein als Frontmann zu denken.

Trotzdem fällt es schwer, beim Hören von „The Car“ nicht an Turners endloses Hadern mit seinem Dasein als Frontmann zu denken. Schon als Teenager wollte er nicht, dass seine Fans dem Hype glauben, und bis heute schwankt er zwischen den Extremen: Hier der unfassbar coole Rockstar mit der ewigen Sonnenbrille – und dort der Typ aus Sheffield, der Rockstars eigentlich albern findet. Zu wissen, dass zahllose Fans und Kritiker:innen mit jedem neuen Album „a revelation or your money back“ erwarten, wie Turner es im Schlusstrack „Perfect Sense“ treffend formuliert, hilft dabei sicherlich auch nicht.

Zwar behauptet der Sänger, er schreibe heute nicht mehr über wahre Begebenheiten. Trotzdem: „It’s been a thrill“, singt er in „Big Ideas“. „I had big ideas/The band were so excited.“ Aber: „Now the orchestra’s got us all surrounded/And I cannot for the life of me remember how they go.“ Hat irgendwer den Stresstraum eines Performers jemals besser eingefangen? Und wie konkret und lebendig sind dagegen die Alltagsbilder, die Turner im Titeltrack heraufbeschwört: „A travel size champagne cork pops/And we’re sweeping for bugs in some dusty aparment.“

Auf „The Car“ klingt Alex Turner öfter nach Frank Sinatra als nach Punk

Ursprünglich, verrät Turner, wollten sie ein ganz anderes Album machen – eins, das die explosive Wucht ihrer Liveshows einfängt. „Es gab den Plan, auf der Straße zu bleiben, in dieser Energie. Ich erinnere mich, dass ich etwas Lautes machen wollte und versucht habe, einen Song zu schreiben, der vielleicht eine Show beenden kann.“ Es kam anders: „The Car“ ist vieles, aber kein Livealbum, und Turner klingt darauf öfter nach Frank Sinatra als nach Punk. Doch auf der Bühne schaffen die Vier es, diesen neuen Sound wie mühelos mit den frühen, rauen Tracks zu verbinden.

Vielleicht ist das die Art, wie Turner es schließlich dennoch geschafft hat, seinem Dilemma zu entkommen: Mit den letzten zwei Alben haben die Monkeys gezeigt, dass sie dem Rock entwachsen sind, er aber trotzdem immer Teil von ihnen sein wird. Sie müssen ihn nur aufsetzen, wie eine altgediente Sonnenbrille. Und wenn dann im Titeltrack von „The Car“ schließlich doch ein – wenn auch langsames, melancholisches, von Streichern umschmeicheltes – Gitarrensolo erklingt, passt auf einmal alles zusammen.

Mit „The Car“ kommen die Arctic Monkeys im Frühjahr 2023 auch auf Tour.

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