„Bando Stone and the new World“ von Childish Gambino: Sieht so das Ende aus?
Donald Glover scheint alles zu gelingen – auch sein letztes Album als Childish Gambino?
Childish Gambino veröffentlicht sein neues Album „Bando Stone and the new World“ und wieder denkt man sich: Es gibt diese Menschen, denen gelingt scheinbar alles mühelos. Donald Glover scheint dieser Art von Menschen anzugehören, hat er doch bereits Golden Globes, Emmys und Grammys in seiner Vitrine stehen. Regie führen, schauspielern, produzieren, singen, rappen – irgendwie klappt es einfach, wenn Glover sich einem Projekt annimmt.
Mal besser, mal schlechter – das sei mal dazu gesagt. Insbesondere, wenn er unter seinem Künstlernamen Childish Gambino musikalische Ausflüge wagt. Davon gab es in den letzten 15 Jahren schon eine ganze Menge: von den noch unausgereiften, messy Pop Rap-Anfängen auf „Camp“ über das psychedelische Soul-Funk-Fusionalbum „Awaken, my Love!“ bis hin zu der erst kürzlich erschienenen Neuauflage „Atavista“, welche das während Covid untergegangene Album „3.15.20“ aufpoliert. Schon 2017 hat Glover durchblicken lassen, dass es nach dem nächsten Album – in dem Fall also „3.15.20“ – vorbei sein werde mit seinem Alias Childish Gambino.
Doch noch nicht alles aus?
2024 sind wir schlauer und sehen, dass noch mindestens zwei (okay, sagen wir 1,5) Alben dazugekommen sind. Die Neuauflage „Atavista“ ist erst zwei Monate alt gewesen, da ist bereits der neue Langspieler „Bando Stone and the new World“ erschienen. Dies soll nun aber wirklich das Ende von Childish Gambino sein, so beteuert er es jedenfalls. Nicht aber, ohne noch einmal ein besonderes Projekt für den Abschluss bereitzuhalten: „Bando Stone and the new World“ ist mit einer Stunde Spielzeit nicht nur sein längstes Album, es fungiert gleichzeitig auch als Soundtrack für einen gleichnamigen Spielfilm, der noch vor Ende 2024 in die Kinos kommen soll.
Bislang ist noch kaum etwas zu dem Film bekannt, den Donald Glover in untrennbarer Verbindung mit seinem letzten Album als Childish Gambino konzipiert hat. Ein zweiminütiger Trailer, ein Cover, ein kurzer Aufsager während des Coachella 2024 – viel mehr gibt es bisher nicht. Ausgehend davon wissen wir nur: Er selber spielt Bando Stone, einen ausrangierten Sänger, der sich mit einem Mal in einer postapokalyptischen Welt wiederfindet. Gemeinsam mit einer Frau, gespielt von Jessica Allain, und ihrem Sohn (Glovers Sohn Legend) kämpfen sie sich ihren Weg durch die dystopische, von Aliens mit monströsen Lasern angegriffene Welt.
Der Soundtrack als Hinweis auf den Film
Doch das Album könnte weitere Hinweise auf den Rahmen des Films liefern. Immer wieder werden Dialogschnipsel aus dem Film in die 17 Songs gestreut, die einen Grundeindruck der Handlung vermitteln. „Are we gonna die?“, fragt Legend direkt zu Beginn des futuristischen, an Grimes erinnernden Intros „H3@RT$ W3RE M3@NT T0 F7¥“ und stimmt damit auf den wilden Ritt ein, der dieses Album ist (und vermutlich auch der Film). Auch wenn Bando ihn mit der Antwort „Not tonight“ beschwichtigt, ganz unberechtigt scheint die Frage nicht.
Vorher will aber noch jede Möglichkeit genutzt werden, um sich gegen die Bedrohung zu stemmen – auch wenn Bando nur bedingt viele Skills mitbringt, um in der Postapokalypse zu überleben. „Can you fish? Can you start a fire? Can you hunt?“, fragt Allain ihn im Outro von „Steps Beach“. Diese Fähigkeiten bringt er nicht mit, wohl aber ist das Singen sein Survival-Utensil der Wahl. Das wird von Allain zwar schnell als „Useless“ ausgemacht, kann er aber wirklich gut.
So gut, dass er es auf „Lithonia“ direkt aufs Äußerste ausreizt. Der epochale, sich langsam aufbauende Unterbau aus Orgeln und E-Gitarre explodiert gemeinsam mit seiner Stimme und zeigt direkt zu Beginn einen gelösten Gambino, der ausgehend aus der Nobody gives a fuck-Attitüde seinen Gemütszustand vorträgt: „I feel liberated“.
Musikalisch all over the place
Genauso gelöst wird das Album vorangetragen. So frei von Genrestrukturen hat Childish Gambino sich zuvor noch nie innerhalb eines Projekts ausgetobt. R’n’B-Songs wie das durch Jorja Smith & Amaarae gefeaturete „In the Night“ liegen nur knappe fünf Minuten entfernt von „Got to be“. Einem Song, der mit seinem chaotischen Instrumental auf The Prodigy-Basis problemlos auch seinen Platz auf dem jüngst erschienen Album von JPEGMAFIA hätte finden können.
Fünf Tracks später ist das Chaos schon längst wieder vergessen: Der am ganzen Album beteiligte Soundtrack-Meister und langer Glover-Wegbegleiter Ludwig Göransson (Oppenheimer, Black Panther, Tenet) erschafft mit „No Excuses“ einen funkig angehauchten, zum Schweben einladenden Siebenminüter. Und direkt im Anschluss stürzt Gambino zurück in den Wahnsinn, als er mit der Hinzunahme von Yeats exzentrischen Alienvocals auf „Cruisin“ die außerirdische Note des Films auch in die Musik miteinbezieht.
Ja, das mag beim ersten (und vielleicht auch beim zweiten und dritten) Hören noch wirr erscheinen, doch nach und nach erschließt sich die Intention dahinter. Mal ehrlich, wer in einer Postapokalypse nicht den Verstand verlieren würde und von spaßigem Pop-Punk („Running around“) hin zu von Khruangbin inspiriertem Gejamme („Happy Survival“) springen würde, der werfe den ersten Stein.
Die Grenzen zwischen klassischem Album und Soundtrack verschwimmen – und gerade weil noch so wenig über den Film bekannt ist, lässt der Rahmen des Albums viel Spielraum für die eigene Vorstellung. Trotzdem schimmert abseits der filmischen Elemente immer wieder die persönliche Note durch. Etwa wenn Childish Gambino auf „Dadvocate“ über das Vaterdasein philosophiert oder auf „Can you feel me“ im äußerst liebevollen Duett mit Sohn Legend den Stellenwert der Familie besingt.
Das Ende von Childish Gambino (?)
Dieser Spagat zwischen Musik und Film kann eine Herausforderung sein, gelingt hier aber wirklich gut. Immerhin ist der Mann hinter beidem auch bestens bewandert in diesen Disziplinen, wie sein Katalog beweist. Eine besondere Motivation für das Gelingen des Projekts ist mit Sicherheit auch gewesen, dass es nach diesem Album wirklich vorbei sein soll mit Childish Gambino.
Und auch wenn man sich dank vorangegangener Aussagen nicht wirklich darauf verlassen kann, es scheint diesmal ernster zu sein. Neue Musik von Glover muss ein Abschied vom Alias Childish Gambino ja nicht zwingend ausschließen – aber ein neuer Name und jede Menge neue Genreexperimente scheinen gut vorstellbar. Aufbrechen in eine neue Welt ist jedenfalls das Credo des Films und scheint sich nicht nur aufs Fiktive zu beschränken. Was auch immer es wird: Donald Glover wird es mühelos schaffen.