„Better call Saul – Staffel 6“: 13 Folgen bis zum Ende – oder dem Anfang?
Lange nicht mehr Bingewatching betrieben? „Better call Saul – Staffel 6“ bietet einen klasse Anlass, den „Breaking Bad“-Vorgänger nachzuholen.
Für die einen ist die AMC/Netflix-Serie Better call Saul – Staffel 6 nur eine Spin-off-Serie und ein Prequel des Serienklassikers „Breaking Bad“ über den krebskranken Chemielehrer Water White, der zum Drogenkönig Heisenberg wird. Für andere ist die nachgeschobene Serie über Whites kriminellen Anwalt Saul Goodman (Foto: Bob Odenkirk) ebenfalls ein moderner Klassiker der Serienerzählkunst. Wir tendieren klar zu letzterem. Nun ist die sechste und letzte Staffel von Better call Saul auf Netflix zu sehen, jede Woche eine Folge der 13 Folgen, aufgeteilt in sieben Folgen seit 18. April und dann noch einmal sechs Folgen ab 11. Juli.
„Better call Saul – Staffel 6“ oder: der amerikanische Alptraum
Der frühere Trickbetrüger und spätere Kleine-Leute-Anwalt Jimmy McGill wurde im Verlauf der ersten fünf Staffeln immer mehr zum Gangsteranwalt Saul Goodman. Teils, weil er als ehemaliger Trickser im Tricksen einfach zu gut ist, um nicht auch im Justizsystem seine erstklassigen Fähigkeiten im Mauscheln, Lügen und Betrügen zur Anwendung zu bringen. Zum anderen, weil man so einfach viel mehr Geld verdienen kann, als sich als Pflichtverteidiger vor Gericht aufzureiben. Und zum weiter anderen, weil der amerikanische Traum Jimmy mit seinen Vorstrafen einen echten Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär schlicht verwehrt. Da wird Jimmy halt zu Saul Goodman und vom Schmutzige-Wäsche-Wäscher zum Millionär. Und der amerikanische Traum zum Alptraum?
An Jimmys Seite befindet sich auch in Staffel 6 Kim Wexler (Rhea Seehorn), die nach ihrer beendeten Karriere als hart schuftender Karriereanwältin und dem neuen Weg als Kleine-Leute-Anwältin nun vor einer erneuten Transformation steht: Der stetige Umgang mit Jimmy und die Erfahrung, dass im amerikanischen Traum die Mächtigen im Zweifelsfall immer die weiter unter Postierten die Leiter herunterstoßen, damit sie auch ja unten bleiben, lässt auch in Kim die illegalen Tendenzen verstärkt hervortreten – gleich zu Beginn der sechsten Staffel in dem Plan, es ihrem Ex-Boss und Jimmys Erzfeind, dem Staranwalt Howard Hamlin (Patrick Fabian), so richtig heimzuzahlen.
Aber Better call Saul ist nicht nur eine Anwaltsserie – durch ihre Wurzeln in der schwarzhumorigen Drogenthriller-Serie „Breaking Bad“ ist der Stoff zur anderen Hälfte ebenfalls eineschwarzhumoriger Drogenthriller, den schließlich bewegen sich Jimmy aka Saul sowie Kim und die Geschichte der Drogenkönige von New Mexico auf direktem Weg aufeinander zu. Hier ist der Stand Folgender: Gus Fring (Giancarlo Esposito) hat am Ende von Staffel 5 versucht, den Konkurrenten Lalo Salamanca (Tony Dalton) auf seiner Hacienda umzubringen und hat dabei den von ihm erpressten Salamaca-Mann Nacho Varga (Michael Mando) benutzt. Der Ex-Cop Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) hat Fring dabei geholfen. Aber ist Salamanca wirklich tot? Nacho befindet sich auf der Flucht in Mexiko, von Frings Leuten und Ehrmantraut in einem Versteck untergebracht, und mit Salamancas Leuten sowie der korrupten Polizei auf den Fersen – während Jimmy und Kim ihre Intrige gegen Hamlin auf den Weg bringen.
Die beiden Erzählstränge werden sich bald treffen, denn Jimmy/Saul hat schon für Salamanca Drecksarbeit erledigt und ist gut bekannt mit Frings Mann Ehrmantraut … Fring übrigens steht als chilenischer Einwanderer mit seinem legalen Tarnunternehmen, dem Fast-Food-Laden „Los Pollos Hermanos“, und seinen umfangreichen Drogengeschäften hinter der Fassade des braven Unternehmers ebenfalls für den amerikanischen Traum, der auf legalem Wege offenbar heutzutage nicht mehr zur erfüllen ist, erst recht nicht für Migranten.
„Breaking Bad“: Der Anfang und das Ende oder noch ein Anfang?
Die ersten zwei streambaren Folgen bieten die von Better call Saul gewohnte langsame, sorgfältige Story, wobei auffällt, dass die Macher Vince Gilligan und Peter Gould ästhetisch noch einen drauflegen: Die Bilder haben noch mehr Kinoqualität als in den vorherigen Staffeln, und weiter besteht die Parallelität aus Jimmys und Kims ruhig auserzähltem Anwaltsbusiness und dem thrillermäßigem, von der unvorhersehbaren und oft überraschend ausgehenden Gewaltausbrüchen geprägten Geschichte um Fring, Salamanca, Nacho und Mike. Sobald die beiden Geschichten wieder zusammenfinden, wird die Spannung noch mal sehr zunehmen, denn es sind einige Schicksale zu klären vor dem Ende der Serie: Nacho, für den man immer mehr Sympathien entwickelt hat, kommt in „Breaking Bad“ ebenso wenig vor wie Lalo, der immer gefährlicher und soziopathischer wird, je mehr man von ihm sieht. Auch bei Kim ist nicht klar, wie es mit ihr weitergeht. Und selbst das Schicksal von Jimmy/Saul ist nicht geklärt, obwohl Better call Saul vor „Breaking Bad“ spielt – dafür haben Gilligan und Gould gesorgt, indem sie in den vergangenen Staffel Episoden aus Jimmys Leben nach den Ereignissen von „Breaking Bad“ eingestreut haben, wo Jimmy mit Schnauzer und neuer Identität in einem Laden hinter der Theke steht und letztlich von zwei Kunden als Saul Goodman aus der TV-Werbung erkannt wird. Wer wird überleben? Wer nicht?
Die ganz große Frage ist: Wie führt Better call Saul schließlich zu „Breaking Bad“? Und gibt es, wie man auch Vermutungen liest, am Ende sogar noch den Dreh zu einer weiteren Serie aus dem „Breaking Bad“-Universum? Und wenn ja, mit wem in der Hauptrolle? Eins zumindest ist sicher: Was bei anderen Serienmachern reine Ideenlosigkeit und Abkassiererei wäre, könnte bei Gilligan/Gould eine weitere lohnenswerte Erzählung über das moderne Amerika sein. Better call Saul ist der Beweis dafür in sechs Staffeln.
Hier könnt ihr euch den Trailer zu Better call Saul – Staffel 6 ansehen:
Hier ist noch einmal eine englische Zusammenfassung der Staffeln 1–5 von Better call Saul: